Manche Begriffe scheinen tonnenschwer zu sein. So derartig schwer, dass sie wegen des Gewichts und aus Sorge vor einer Unterkieferfraktur lieber gar nicht erst in den Mund genommen werden. Entsprechend hört man sie kaum, bestenfalls liest man sie in meist ebenso schweren Büchern. Und langsam gerät in vollkommene Vergessenheit, was der Begriff eigentlich einmal bedeutet hat. Einer solcher Begriffe lautet MISSIO DEI. Schon beim bloßen Anblick meint man, dicke Staubschichten von den Buchstaben blasen zu müssen mit einer gewissen Sorge, dass dabei irgendwelche alten Totenköpfe zum Vorschein kommen könnten.
Auf unserem TREK haben wir es gewagt, mit Taschenlampen, Lupen, Lexika und erfahrenen Führern bewaffnet in die tiefen, alten Katakomben des MISSIO DEI einzudringen. Um auszukundschaften, dass es sich tatsächlich um etwas sehr, sehr Altes handelt. Und um gleichzeitig etwas überrascht festzustellen, dass es sich um etwas ebenso Aktuelles handelt, etwas Berührendes und Bewegendes. Ein kleines bisschen wie die Werke der altgriechischen Dichterin Sapfo, die 600 v. Chr. Liebesgedichte schrieb, welche man heute noch mitfühlen und nachvollziehen kann.
Wie die Liebe nämlich ein andauernder Bestseller ist, so bleibt auch Gottes Liebe für diese Welt ein immerwährender Dauerbrenner. Er liebte diese Welt vom ersten Tag an, und nichts änderte diese Liebe an jenem Tage, als die Welt die Scheidung von ihm einreichte und sich damit in größte Existenznot brachte. Immer wieder sandte er sich selbst in die Welt in Gestalt von Boten, Liebesbriefen, Blumen oder Ermahnungen. Seine Kreativität kannte keine Grenzen, von Feuersäulen bis hin zu sprechenden Eseln hat es so ziemlich alles gegeben. Irgendwann kam er sogar höchstpersönlich vorbei, um seine Liebeserklärung vorzusprechen. Alles nur, um viel Schlimmeres als nur einen Tritt in den Allerwertesten von seiner Geliebten Welt zu erhalten.
Doch er gibt und gibt nicht auf. Als Zeichen dessen hat er sich jetzt sogar schon ein kleines Appartement auf der Welt genommen. Er will ernsthaft wieder hier einziehen. Es ist eine ziemlich zweifelhafte, vergammelte Bude, die er sich da ausgesucht hat, und er hat ihr ausgerechnet den Namen „Ekklesia“ gegeben, zu Deutsch in etwa Kirche. Manche Erdenbewohner haben es echt gut mit Gott gemeint und ein paar der schrägen Balken und schimmeligen Wände dieser Bude mit Gold überzogen, was es nur noch komischer aussehen lässt. Andere sind auf weitere spaßige oder groteske Ideen gekommen, um Gottes Wohnung zu „verschönern“. Ich weiß nicht, ob Gott diese Art Renovierung überhaupt will, eigentlich ist es ihm nur wichtig, wieder näher bei uns zu wohnen. Und diesem Herzenswunsch Gottes, näher zu uns zu uns kommen, haben die alten Gelehrten den beeindruckenden Namen MISSIO DEI gegeben: Gott, der sich ständig selbst in diese Welt sendet, der nicht aufgibt, der immer dranbleibt.
Es ist gar nicht so, dass die „Ekklesia“ eine Mission hat (bei der sie womöglich den Leuten etwas in die Schädel hämmern soll), nein, völlig falsch. Es ist vielmehr so, dass Gottes Selbstsendung, Gottes Mission, eine „Ekklesia“ hat. Alles, was wir sollen, ist dem folgen, was Gott sowieso in dieser Welt tut. Es ist sein Ding, nicht unseres. Und wenn Gott in meinem Herzen lebt (und wahrscheinlich bin ich nicht mehr als eine trübe Tasse in einem schäbigen Schrank seiner Bude), dann habe ich dahin zu gehen, wo Gott mich hinhaben will. Ohne Widerrede und lamentieren.
Nein, nein, bitte nicht falsch verstehen: Ich meine damit nicht die großen Dinge, wie nach Schweden ziehen, oder nach Afrika, oder ein Märtyrer werden. Ich meine damit, täglich mein Gesäß in Bewegung zu setzen und meinen Mitmenschen so zu begegnen, wie ER es höchstpersönlich tun würde. Beim Nachbarn auf den Klingelknopf drücken und fragen, ob er wieder gesund ist. Zum Beispiel. Oder, wenn es sein muss, meinen ganzen Tempus-Outlook-und-Palm-organisierten Zeitplan über den Haufen zu werfen und den zu besuchen, den Gott mir gerade auf’s Herz legt. Wir Christen verstecken uns manchmal gerne hinter unseren Gemeindeprogrammen und bilden uns ein, damit Gott gefällig zu sein. Und natürlich, es ist ja auch nicht alles schlecht, was da läuft. Michael Frost hat es letzte Woche aber so ausgedrückt: „Du kannst mir nicht erzählen, du hältst dich für „Gott gehorsam“ und hast keinen einzigen, echten Freund, der nicht an Gott glaubt.“ Denn Gott sandte und sendet sich ständig selbst in diese Welt und damit sendet er Dich und mich ebenso. Schließlich sollen wir „Christen“ sein, „kleine Christusse“ in der ursprünglichsten Bedeutung des Wortes, „kleine Jesusse“ sozusagen (man verzeihe mir meine umgangssprachliche Pluralbildung). Doch wenn wir uns nicht senden lassen, nur in frommen Kreisen verkehren, handeln wir Gott zuwider und damit sind wir Gott zuwider. Schon mal drüber nachgedacht?
Die Reise muss gar nicht weit gehen. Nur zum Klingelknopf eine Etage über mir, das kann schon eine andere Welt sein. Ich brauche weder eine griechische Exegese vorzutragen noch muss ich ein Treppenhaus-Billy-Graham werden. Meist reicht eine banale Einladung zum Kaffee schon aus. Mal hören wie’s so geht. Das ist Sendung. Die Bude Gottes bei den Menschen. Das ist MISSIO DEI.
Und, oh großes Wunder, plötzlich ist der Begriff gar nicht mehr so schwer. Er wirkt fast federleicht und lebenslustig. Vielleicht ist es nur der innere Schweinehund, der uns ständig predigt, dass Theologie viiiieeel zu kompliziert und schwer für uns sei.