“Ich bin ja viel gereist. Doch die beste Reise von allen werde ich bald antreten.” Das sind Originalworte meines Vaters in der letzten Woche. Mit großer Ruhe, Erwartung und fast schon Vorfreude spricht er sie aus. Er lebt zur Zeit sehr bewusst in der Spannung zwischen dem “schon jetzt” und “jetzt noch nicht”. Mir wird diese Spannung wieder neu bewusst. Wir Menschen haben es sehr, sehr schwer, Spannungen auszuhalten. Lieber fallen wir vom Pferd. Auch wir Christen. Entweder richten wir uns so gemütlich in diesem Leben ein, dass kaum noch Unterschiede zwischen uns und anderen Menschen auszumachen sind. Abgesehen vom Sonntagsgottesdienst vielleicht. Aber sonst konsumieren wir wie der Rest der (westlichen) Welt auch. Oder wir fallen auf der anderen Seite runter, wie schon so oft geschehen in der Geschichte, und vertrösten uns nur noch auf den Himmel. Alles irdische ist weltlich, sündig, lasset uns davon fernhalten. Lieber darben und im Himmel auf großen Lohn warten.
Wer schafft es, die Balance zwischen dem “schon hier und jetzt” und “jetzt noch nicht” zu halten? Wer schafft es täglich? Ist es zu schaffen? Klar ist es das! Aber es erfordert Training, Übung und Disziplin. Es braucht Geduld. Es erfordert Willen und Kraft des Heiligen Geistes. Training. Übung. Disziplin! Geduld. Also naja. Alles nicht besonders populär heutzutage. Kann der Heilige Geist es uns nicht auch so geben?!
Aber in unserer Art des Dienstes in einer nachchristlichen Welt spüre ich immer deutlicher: Wer es schafft, eben diese Spannung aufzubauen, aufrechtzuerhalten und auszuhalten hat einen Schlüssel zum Herzen der Menschen. Echt.
Wer im Hier und Jetzt lebt,
liebt,
gestaltet,
genießt
und wer gleichzeitig nicht am Hier und Jetzt hängt, sondern bereit ist
zu geben
zu verlieren
zu gehen
erregt Anstoß. Lebt herausfordernd. Regt zum Nachdenken an.
Solche Menschen sind rar. Letzte Woche traf ich unerwarteterweise einen. Es war mein eigener Vater. Er regte mich zum Nachdenken an.