Oft wird das Unvorhergesehene zum Besten. Wie letzte Woche auf dem Summit zum Beispiel. Es war ein super Programm, doch eine ganz bestimmte, ungeplante, spontane Begegnung wird mir wohl dauerhaft in Erinnerung bleiben.
Beim Mittagessen sitze ich gegenüber eines Mannes, den ich noch nie bei CA gesehen hatte. Es stellt sich heraus, dass er Pfarrer einer über dreihundert Jahre alten Presbyterianischen Gemeinde ist. Und zwar in der größten Stadt Nordirlands. Wir kommen ins Gespräch. Wir sprechen über Geschichte und welch dauerhaften Spuren sie hinterlässt. Ich erzähle ein wenig von den heute erst richtig reifenden Früchten des 30-jährigen Krieges. Und er erzählt – natürlich – von Nordirland, seiner Geschichte und ihren Folgen. Davon, dass “katholisch” und “protestantisch” dort nichts als politische Bezeichnungen sind, abwertende Etiketten, die helfen, zwischen “uns” und “denen” zu unterscheiden. Er erzählt, wie ihm als Kind verboten wurde, mit “denen” zu spielen, obwohl er deren Ballspiele eigentlich ziemlich cool fand. Wie Nordirland zum Paradebeispiel für die Atheisten Europas wurde: “Ich und an den Gott der Kirche glauben?! Sieh mal nach Nordirland, dann weißt du, warum ich nicht glaube!” Wie die Menschen heute den immer noch anhaftenden Geruch des Terrorismus endlich loswerden wollen, ohne wirklich zu wissen, wie. Den einzigen Ausweg, den man sieht, ist sich ganz und gar von Kirche und Begriffen wie katholisch und protestantisch zu distanzieren.
Ich spüre, es hier mit einem scharfsinnigen Denker zu tun zu haben. Einem Mann, der Geschichte versteht und Gegenwart zu deuten weiß. Ich spüre ebenso, hier mit einem Mann zu sprechen, der das Unmögliche zu glauben wagt: Dass Kirche selbst in Nordirland eine Chance hat und Gott ein Gott des Unmöglichen, ein Gott der Versöhnung ist. Und ich erlebe einen Visionär: Keinen ernüchterten Phlegmatiker, der frustriert nur jammern kann, dass alles immer schlechter wird, sondern einen Wagemutigen, der eine kleine, aber reelle Chance sieht und diese keinesfalls verpassen möchte. Dieser Pfarrer wagt es, trotz 300-jähriger Tradition seiner Gemeinde über seinen eigenen Schatten zu springen und in ganz neuen Bahnen zu denken: Er zieht die Gründung einer völlig neuen Gemeinde in Erwägung. Eine Gemeinde, die weder katholisch noch protestantisch ist, weil diese Worte viel zu politisch geladen sind und man daran nur fürchterlich einen gewischt bekommt. Eine Gemeinde, die diese alten Muster vermeidet und dennoch ein Hafen für Menschen sein kann – Menschen, die auch nach Sinn Féin oder UUP, IRA oder UVA Fragen an das Leben haben, die sich freuen oder trauern, Gemeinschaft, Trost, Hoffnung, Sinn im Leben brauchen – eine Gemeinde also, die in Belfast und vielleicht sogar gerade in Belfast den Gott der Versöhnung widerspiegelt, der allen Hass und alle Brutalität ans Kreuz nahm, der wegen des “Good Friday“, des Karfreitags selbst aus einem Bloody Sunday einen Easter Sunday, einen Ostersonntag machen kann.
Was wäre das für ein Zeugnis, wenn eine solche Gemeinde der Welt zeigen könnte, wie dort Versöhnung geschieht? Mich hat dieser Mann extrem inspiriert. Wollt Ihr mit mir für ihn und seine Vision beten?