(Fortsetzung des gestrigen Posts)
Ganze zweitausend Jahre sind vergangen. Den Mann, dem “alle Macht der Erde” gegeben worden sei, hat man in unseren Breitangraden weitgehend vergessen. Er
ist ja auch nie zurückgekommen. Sein Name ist, wenn überhaupt, nur noch als religiöse Reliquie bekannt. Mittlerweile predigt man übrigens weder, dass Er
der Weltherrscher ist, noch, wie man in den Himmel kommt. Nur so eine verschwindend kleine Schar glaubt immer noch an Ihn, dass Ihm sowohl die Herrschaft der Erde als auch die des Himmels übertragen worden ist. Naja, und in anderen Erdteilen
vielleicht, da glaubt man das vielleicht auch. Aber die waren ja sowieso
schon immer hinterher, finden viele.
Das dritte Jahrtausend entfaltet sich unterdessen mit unglaublichem Reichtum für die Allgemeinheit des Westens. Das hat der Mensch
zustande gebracht, kein angeblicher, religiöser Weltherrscher. Wir können stolz auf
uns sein. Wir haben uns emanzipiert. Wir brauchen keine organisierte Religion mehr,
und erst recht niemanden, der uns vorschreibt, wie wir zu leben hätten. Ganz bestimmt
keine religiösen Herrscher. Das klingt nach Scharia oder Inquisition.
Bloß keinen Gottesstaat! Zu viel Religion ist schließlich gefährlich. Wenn hier einer die Welt in Ordnung bringen soll, dann müssen wir das schon selber machen, wir Menschen. Wir sind schlau. Wir sind stark. Wir können das.
Er kommt und kommt nicht. Die verschwindend kleine, europäische Jüngerschar, einst stark und mächtig, wird immer kleiner und – kleinlauter. Manche verschließen die Augen vor den Entwicklungen, manche verzweifeln, manche zweifeln.
Doch einige gehen auch zurück zu den alten Schriften. Was stand da nochmal genau? Wie war Jesus eigentlich dazu gekommen, zu behaupten, dass Er und niemand anderes der wahre und rechtmäßige Herrscher des Planeten sei, und nicht nur eine religiöse Gallionsfigur? Ach ja, genau, hier steht es: Es war ja ganz anders! Ganz anders, als man das damals erwartet hatte. Sein Verhalten war überhaupt nicht herrschend gewesen, wie man es sich eigentlich gewünscht hatte. König hätte Er werden sollen und das Land vom Bösen befreien, jawohl! Sichtbar und deutlich sollte er den Römern die Leviten lesen! Doch was hatte er stattdessen gemacht? Irgendwelchen völlig unbedeutenden Randgruppen diente er. Machte Bettler gesund. Nahm Krankheit und Leid höchstpersönlich auf sich. Lässt sich am Ende, kaum zu fassen, ausgerechnet von den Römern (!) buchstäblich abschlachten. Völlig ineffektiv, sollte man meinen, nach menschlichem Ermessen!
Doch dann ist Er plötzlich wieder da… Auferstanden… Und nun, nun sei es soweit, sagt er. Nun trete Er seine Herrschaft an, doch bis das offensichtlich werde für alle, und zwar ausnahmslos alle, müssten seine Jünger genauso weitermachen wie Er es angefangen habe. Randgruppen dienen und Bettler heilen, zum Beispiel. Krankheit und Leid persönlich auf sich nehmen. Und vergesst nicht, wer und wer nicht selig gepriesen wird! Wenn’s sein muss, sich vom Bösen töten lassen, bitte. Sich also besser nicht zu häuslich einrichten im jetzigen Zustand des Planeten. Genauso sehe die Herrschaft Gottes in dieser Welt aus. Irgendwie unnatürlich. Völlig verdreht, nach menschlichem Ermessen. Die Welt braucht also wirklich keinen christlichen Gottesstaat zu fürchten, denn Christen sind wie ihr großes Vorbild: wehrlose Lämmer. Harmlos, verwundbar. (So sollten sie sein. Das typische Bild einer mächtigen Kirche ähnelt wohl eher eine Horde Römer als einer Horde Schafe.) Doch den auferstandenen Hirten der Schafe, den sollte die Welt besser zähneklappernd fürchten. Denn wenn Er wiederkommt, wird Tacheles geredet werden und alles Böse, alle Korruption ausnahmslos ausgemerzt. Keiner wird mehr an Seiner Alleinherrschaft zweifeln.
Und dann wird sich zeigen, dass ER allezeit mit uns war, der kleinen, verzweifelten Schar, während wir keinen Gottesstaat, sondern ein himmlisches Reich auf einer gefallenen Welt vorbereitet haben. Immanuel!
Die Inspiration zu diesem Post fand ich übrigens in Tom Wrights Andacht zum Osterdienstag.