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Dass er kein gewöhnlicher Gemeindepastor werden wollte, wurde Ben schon auf dem Bibelseminar klar. “Dazu bin ich nicht hart genug”, sagt er lapidar und scheint es wirklich so zu meinen. Knallhart genug ist er hingegen, einen lang gehegten Traum durchzuziehen: Gemeinschaft auf alternative Art zu bauen, Arbeitsplätze zu schaffen, Menschen zusammenzuführen und durch die Schönheit der Natur in die Anbetung zu leiten. Gott fand das auch und schickte ihm einen frommen Investor in den Weg. Die beiden bestimmten, dass diese Idee sich harmonisch in den örtlichen Kontext einfügen muss und bauten dann eine beeindruckende Ranch mit beeindruckend vielen Gebäuden und noch mehr beeindruckend vielen Pferden. Was fügt sich harmonischer in den Kontext Colorados ein?

Beeindruckende Empfangsshalle: Beim Anblick der Schaufeln des “Moose” an der Wand erbleichen schwedische Elchbullen vor Neid, die Kühe törnt’s wahrscheinlich an…

Hier kann man nun also Urlaub mit vielen Aktivitäten machen: Wandern, reiten, fliegenfischen und vieles mehr. Immer wieder komme es vor, dass Besucher schluchzend auf ihren Pferden sitzen, überwältigt von der Schönheit der Schöpfung. Ben wundert das nicht, schließlich stünde es geschrieben, dass selbst die Steine Gott preisen werden.

Einen Tisch zum Candellight-Dinner zu zweit sucht man im Speisesaal allerdings vergebens: “Wir haben nur große, runde Tische, an denen man zwangsläufig mit anderen Menschen in Kontakt kommen muss. Das ist unser Konzept. Wer das nicht will, muss woanders hinfahren.”

Ungefähr die Hälfte der Saisonbelegschaft sind Christen, die andere nicht. Alle wohnen auf der Ranch und es gibt klare Regeln, die Ordnung ins Miteinander bringen. Alle machen alles: Betten machen, Reittouren, Klos putzen, Pferde striegeln. Man lernt hier, miteinander in Respekt zu leben und miteinander auszukommen. Missionaler geht es kaum. Es habe sich hier zwar noch niemand bekehrt, hingegen habe man schon so manches Loch in den Atheismus junger, europäischer Mitarbeiter gebohrt. Immer wieder höre Ben von überraschten jungen Leuten am Ende ihrer Anstellung, dass “man das mit Jesus wohl doch nochmal ganz neu überdenken müsse”. Offiziell kann der Betrieb keine Gemeinde sein, doch man habe schon überlegt, ob man nicht irgendwie zumindest teilzeitlich einen Pastor anstellen sollte, der dann auch Seelsorge oder Gottesdienste anbieten könnte. Den Rest der Zeit könnte er ja beim Stall ausmisten helfen.

Soweit die Hufen tragen: Hier könnte ich auch Urlaub machen.

Wir werden herumgeführt und anschließen sitzen wir über eine Stunde im Besprechungszimmer. Ich höre Ben aufmerksam zu, um ihn irgendwann zu fragen, ob er eigentlich wisse, dass er seiner Zeit um Jahrzehnte voraus ist. Wusste er nicht. Und er weiß auch nicht richtig, was ich meine. Gemeinsam mit meinem Freund, Kollegen und Chef Dudley erkläre ich ihm die aktuellen Trends der Gemeinde: Unsere Enkel werden mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr in Gemeinden gehen, wie wir sie heute kennen. Die wenigen Christen, die übrig bleiben, werden dafür bekannt sein, dass sie sich aktiv für das Wohl der Gesellschaft einsetzen, indem sie z. B. Arbeitsplätze schaffen. In einer Zeit der krankhaften Vereinsamung werden sie großen Wert auf Zusammenleben und Gemeinschaft legen. Sie werden auf kreative Weise versuchen, Menschen mit ihrem Schöpfer bekannt zu machen. Und sie werden sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen. Im Prinzip werden sie etwas sehr ähnliches machen wie Ben – wenn auch nicht unbedingt in Form einer amerikanischen Cowboy-Ranch.

Es schien ihn sehr ermutigt zu haben. Uns hat es auch ermutigt. Wir haben ein existierendes und funktionierendes Vorbild gefunden. Wir werden in Kontakt bleiben. Der alte Mann, der uns diesen Besuch ermöglicht hat, schmunzelte auf dem Heimweg in sich hinein: “Ich hab’s doch im Gefühl gehabt, dass CA und diese Ranch sich sehr gut verstehen würden.”

Dazugelernt: Letzte Woche dachte ich noch, echte Cowboys gäb’s nur im Western oder Karneval.

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marcusis@icloud.com

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