Was liegt näher, als im Wonnemonat Mai über Sex zu reden? Erst recht, wo wir uns doch vor ein paar Wochen intensiv mit gesunder Sexualität beschäftigt haben. Wenn’s um Sex geht, werden sofort alle Ohren gespitzt und Menschen allen Alters (jenseits der Pubertät) scheinen plötzlich wieder zu Teenagern zu werden, nicht wahr?! Entsprechend wurde ich auch schon mehrfach nach einer Zusammenfassung unserer theologischen Tage gefragt – es interessiert uns halt brennend. Allerdings ist dieses Thema, wie Ihr bald einsehen werdet, derart komplex, dass Zusammenfassungen einfach nicht möglich sind. Was ich aber kann und will, ist eine “Zusammenfassung” meines eigenen, persönlichen Beitrages zu unseren “Thinklings” zu geben, der schon eine Menge aussagt und viel positiven Zuspruch fand. Die “Zusammenfassung” wird sich aber auf mehere Blogposts verteilen – eben weil das Thema so komplex ist. Ihr werdet alle Posts aufmerksam lesen wollen, wenn ihr eigene Rückschlüsse ziehen oder meine persönlichen Rückschlüsse hören möchtet.
Na, dann man tau!
Hölzerne Verführung: Diese Orgie erspannte mein Objektiv in einem Kopenhagener Ausstattungsladen für Künstler. |
Impuls Nummer eins: Das gewaltige Ausmaß unserer Sexualität
Gerade wenn’s ums Thema Homosexualität geht muss uns vor allem klar sein, dass Homosexualität nicht getrennt von Sexualität allgemein diskutiert werden kann. Sex ist ein extrem starkes Verlangen nach menschlicher Vollständigkeit, welches Gott so gewollt und geschaffen hat. Wie überhaupt alles andere in der ganzen Schöpfung, wurde auch unsere Sexualität durch den Fall stark beschädigt – und das Leben mit Beulen, Brüchen, Splittern und Sprüngen ist für uns alle der Normalfall. Unsere Aufgabe als Christen ist es, Brücken von der Wirklichkeit der schmerzhaften und gefallen Schöpfung zur erwarteten, neuen und erlösten Schöpfung zu bauen – und das ist nur möglich, weil wir an die Auferstehung Jesu glauben. Entsprechend muss aller Sex im Lichte einer erlösten Sexualität betrachtet werden. In unseren postmodernen Zeiten kann dies meiner Meinung nach nur geschehen, wenn man die folgenden Punkte ernsthaft bedenkt. Heute kommt nur der erste: Die ungeheuren Dimensionen der Sexualität.
Es ist dumm und naiv, die Macht des Sex zu unterschätzen. Sex für einen (womöglich kleinen) Teil des Lebens zu halten, wie man es in vielen, vielen Gemeinden glauben könnte, wird nie zu irgendwelchen erlösenden Ergebnissen führen. Sex gehört nicht nur zu Maslows menschlichen Grundbedürfnissen – es ist direkt an unsere innerste Identität gekoppelt. Die Zahl der täglich geträumten sexuellen Phantasien auf dem Globus geht gegen unendlich. Die Menge bewusster oder unterbewusster alltäglicher Entscheidungen (Kleidung, Schmuck, Farben, Frisur, um nur ein paar sehr allgemeine Beispiele zu nennen), welche in unserer sexuellen Identität wurzeln, ist zu groß, als dass man sie messen könnte. Die tägliche Summe sexueller Handlungen weltweit ist unvorstellbar riesig. Der Größe des globalen Marktes von Pornografie und Prostitution ist monströs – zusammen mit Drogenhandel und Rüstung / Waffenmarkt gehört er zu den drei weltgrößten Umsatzmärkten. Jedes dieser Beispiele macht die gigantische Dimension der Sexualität anschaulich, in Summe wird es geradezu unermesslich.
Ich habe Mitarbeiter unter Opfern von Zwangsprostitution und Menschenhandel sagen hören, dass die menschliche Seele ein physisches Organ habe: Unsere Haut. Dies mag wissenschaftlich schwer zu beweisen sein, fest steht hingegen, dass die Haut in der Tat unser größtes Organ ist. Die Art, wie und wo wir einander berühren beeinflusst das Innerste unseres Wesens und Seins – es tut gut oder es schmerzt, beides von Fall zu Fall mehr oder weniger. Dieses Beispiel macht mir deutlich, dass Sexualität nicht nur ein sehr großer, sondern vor allem auch ein höchst empfindlicher Bereich des menschlichen Lebens ist, der in beide Richtungen starke Gefühle weckt. Aus eben diesem Grunde erfordert das Thema extrem viel Vorsicht, Achtung, Geduld und Respekt, denn auch unsere Worte wecken Gefühle, können guttun oder verletzen. Es wird verständlich, warum Sexdiskussionen so leicht so emotional werden können: Jeder verteidigt seine Seele so gut er nur kann.
Wir Christen tun weder uns noch der Welt einen Gefallen, wenn wir zu diesem Riesenthema schweigen. Vielleicht schweigen wir aber auch, weil wir uns mit Vorsicht, Achtung, Geduld und Respekt so schwer tun – gerade dann, wenn wir mit denen reden, die andere Überzeugungen haben. Wir Christen müssen ganz neu das Sprechen lernen und wir müssen Räume schaffen, wo wir in sicherer Atmosphäre erste Worte stammeln dürfen mit dem Ziel, fließend, herausfordernd und doch angenehm mit einer Welt kommunizieren zu können, in welcher das ganze Ausmaß der Sexualität immer sichtbarer wird.