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Zu viel Sex in Game of Thrones? Die Bibel macht GoT echte Konkurrenz.

(Hier geht’s zum Beginn der spritzigen Reihe)

Impuls Nummer vier: Sexualität biblisch betrachtet

Nun wäre es also an der Zeit, ans Eingemachte zu gehen. Ich möchte nochmal hervorstreichen, dass dies keine formelle Haltung einer Organisation oder Gemeinde ist, sondern meine ganz persönliche Sexualtheologie, wie sie sich im Laufe der Jahre entwickelt hat. Es ist weder offiziell noch fertig, und vor allem ist es nur der Versuch einer Zusammenfassung.

Biblische Unverblümtheit vs. fromme Maskerade
Gleich zu Beginn möchte ich enthüllen, dass ich zu dem Schluss kommen musste, auf welch extrem winzigen Füßen unsere evangelikale Sexualethik steht. Dabei ist es nicht so, dass sie auf einer Seite vom Pferd fiele – sie kommt erst gar nicht auf’s Pferd hinauf. Sie ist weder in der Lage, die rauhe Wirklichkeit des echten Lebens noch die unerfüllbaren Sex-Maßstäbe Gottes zu beschreiben. Der Bibel hingegen gelingt beides ausgezeichnet. Was haben wir nur falsch gemacht?! Gehen wir der Reihe nach vor.

Wir müssen einsehen, dass unsere Vorstellung von “rechtem Sex” verträumt weichgezeichnet ist. Nicht nur durch Schnulzen- und Hollywoodromantik, sondern auch durch naive, evangelikale Liebes- und Weltvorstellungen. Die Schrift hingegen ist brutal offen. Da liest man von Abram, gennant Vater des Glaubens, dass er freizügig seine schöne Frau dem Pharao zur Verfügung stellte. Oder auch gerne mit einer knackigen Magd ins Zelt ging, um mit ihr ein Kind zu zeugen. Oder wir lesen die Stories von Lot und seinen Töchtern. Oder jene Geschichten von einer weiteren, sehr berühmten Figur der Bibel: Der Mann nach dem Herzen Gottes, bekannt als David, welcher kurzerhand seine Nachbarin vögelte, nachdem er sie lang genug und genussvoll beim Baden bespannt hatte. In höherem Alter legte man demselben David schöne, junge Frauen ins Bett, damit er warm würde und die Bibel findet es erwähnenswert, dass er in diesem Alter offenbar Erektionsprobleme hatte, denn trotz schöner, williger Frauen passierte nichts unter der Decke. So geht das weiter und immer weiter durch die ganze Bibel. Noch nicht einmal die Mehrehe ist biblisch eindeutig verboten. Das NT ist auch nicht viel besser. Die Zustände so mancher der dort beschriebenen Gemeinden trieben heute fromme Gemeindeleiter in den Herzinfarkt.

Die Bibel ist offen und ungeschminkt. Wir Evangelikalen sind es leider nicht immer. Wenn wir überhaupt über Sex reden, dann gerne theologisch-gemeindepolitisch korrekt, alles andere sollte höchstens im Nebensatz erwähnt werden. Ich habe zum Beispiel viele Andachten zu 1Kor 7,36 gehört, man solle heiraten, bevor man sich vor Verlangen verzehrt, doch die Betonung der Andachten lag stets auf heiraten. So weit, so gut, doch ist es nicht interessant, dass das NT offiziell einräumt, dass Verlangen verzehrend sein kann? Dass die Natur ihren Tribut fordert, wie ich den Vers auch übersetzen könnte? Heute möchte ich z.B. gerne mehr Andachten dazu hören, was die Bibel zu diesem verzehrendem Verlangen sagt, wo man mindestens einen Uniabschluss braucht, um heiraten zu können und den Bund der Ehe nicht wie zu biblischen Zeiten unmittelbar nach der Geschlechtsreife eingeht. Was passiert mit dem verzehrenden Verlangen zwischen Geschlechtsreife und Diplomabschluss? Ein Thema, über das man sich gerne ausschweigt und hofft, es verdunste unter der Bettdecke ganz von allein. Und das wäre nur eins von vielen Themen, die es zu beleuchten gäbe.

Biblische Richtschnur vs. fromme Tünche
Ich fasse zusammen: Unsere Kommunikation zum Thema Sex ist schwach und weltfremd und wir müssen lernen, genauso offen reden zu können wie die Bibel. Doch die Heilige Schrift beschreibt nicht nur den Istzustand. Sie gibt uns auch Hinweise auf den Sollzustand. Hier versagt evangelikale Theologie schon wieder. Warum? Weil wir es gewagt haben, die Maßstäbe Gottes so anzupassen, dass wir uns einbilden könnten, wir seien aus eigener Kraft in der Lage, sie zu erfüllen: Wenn wir heterosexuell sind, ordnungsgemäß heiraten und bis zur Hochzeit sexuell inaktiv bleiben, haben wir alles richtig gemacht und sind allen Gemeinden gefällig.

Gott auch?!

Gottes Maßstäbe zum Thema Sexualität sind genauso hoch wie alle anderen auch – vielleicht sogar noch höher. Wenn ich die Bibel richtig verstehe, hat Sex eine beachtliche göttliche Komponente, ein Faktum, das oft übersehen wird. Gott beschreibt z.B. seine eigene Beziehung mit Israel mehrfach als sexuelle Beziehung. Hesekiel ist da expliziter, als es manche Kanzel verträgt. Das Hohelied der Liebe, ebenfalls eine Sammlung teilweise erotischer Liebesgedichte, wird als Bild für Christus und seine Braut, die Gemeinde, ausgelegt. Alle diese Beschreibungen könnten in Verbindung mit der Tatsache, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde, zu der Frage führen, ob vielleicht sogar Gott selbst ein sexuelles Wesen sein könnte. Wie auch immer man diese Frage betrachtet, Sex hat definitiv einen erheblichen göttlichen, spirituellen Anteil, den alle sexuellen Aktivitäten widerspiegeln sollten. Der Genuss und das Behagen sexueller Erlebnisse sollen das Vergnügen und die Freude widerspiegeln, welche jede wahre Liebesbeziehung kennzeichnen sollten – und damit auch die ungebrochene Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch.

Wenn ich die Bibel richtig verstehe, komme ich zum Schluss, dass Gott der Bräutigam ist und Israel bzw. die Gemeinde die Braut. Die Ehe zwischen zwei Menschen ist meines Erachtens nichts anderes als ein anschauliches, irdsches 3D-Modell dieser göttlich-menschlichen Liebesbeziehung und bekommt allein dadurch eine einzigartige Heiligkeit. Sex und Erotik ist ein natürlicher Teil dessen. Und es scheint mir, dass Gottes Messlatte für Sexualität keinen Millimeter tiefer hängt, als dass alles, was irgendwie zum Orgasmus führen könnte, ausschließlich durch und mit einem liebenden Ehepartner des anderen Geschlechts angefangen und zu Ende gebracht werden sollte. Alles. Ich meine ausnahmslos alles. Das mag erstmal unerhört oder frustrierend klingen, denn im Laufe eines Lebens ist das nicht nur unrealistisch, sondern unmöglich… Doch am Ende (dieser Serie, nicht dieses Posts) stellt sich heraus, dass es im Grunde eine befreiende Erkenntnis ist. Sehen wir mal etwas genauer hin.

Adam hatte es gut. Er erblickte das Licht der Schöpfung, schlief gleich wieder ein und dann war da diese geile Traumfrau. Im paradiesischen Bild von Ehe gibt es keine unerfüllten Wünsche. Mann und Frau ergänzen und erfüllen sich perfekt. Sie konnten machen, was sie wollten – ob sie vor dem Sündenfall noch Gelegenheit dazu hatten, bleibt ungewiss. In jedem Fall war das eine Beziehung, die gleich mit und in der Ehe losging. Kein verzehrendes Verlangen also. Nach dem Sündenfall fängt’s dann an, chaotisch zu werden. Oh, Adam, das “vorher – nachher”-Gefühl muss furchtbar gewesen sein…

Wir nehmen gerne 3Mos 18 als biblische Referenz für unsere Sexualethik, wo u.a. Homosexualität als Gräuel bezeichnet wird. Das AT-Gesetz zu zitieren ist insofern ok, als Jesus gesagt hat, er sei nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben. Es ist also nicht ungültig. Jesus sei gekommen, sagt er, es zu erfüllen. Wir müssen das Gesetz also nicht mehr selbst erfüllen, es ist bereits erfüllt. Wir müssen uns nur darüber im Klaren sein, dass, wenn wir einen Vers aus der Thora (als nicht aufgehobenes, sondern erfülltes Gesetz) zitieren, dann können wir nicht gewisse Verse zitieren und andere ignorieren. Dann gilt das für die ganze Thora. Also auch z.B. für 3Mos 15,16, wonach ein Mann unrein wird, wenn ihm nachts selbst ohne willentliche Masturbation der Same abgeht. Was nach heutiger Erkenntnis ein gesunder physiologischer Vorgang ist, ist nach AT-Maßstab eine Ursache zur Unreinheit. Unreinheit ist nichts anderes als eine Benennung der Befleckung und damit des Sündig-Seins. Puh, Männer, sieht schlecht aus für uns… Frauen kommen in der Thora übrigens auch nicht besser weg. Die Menstruation ist dort ein monatlicher Grund zur Unreinheit.

Zu viel verlangt? Sehen wir weiter. Gemäß 1Kor 7,3ff  ist es nicht der Mann, der für seine sexuelle Befriedigung verantwortlich ist, sondern die Ehefrau. Männer, Hände weg vom eigenen Penis, ihr habt hier kein Verfügungsrecht. Das gehört allein der Ehefrau – wie überhaupt der Rest des Körpers auch. Und umgekehrt gilt für Frauen das Gleiche. Deren Körper gehören dem Ehemann. Das ist extrem starker Tobak – besonders gemessen an der Tatsache, dass viele Ehen genau daran zerbrechen. Jeder, der etwas länger in einer sexuellen Beziehung lebt, weiß, dass dies ein unerfüllbar hoher Standard ist. Selbst ein brav verheiratetes, heterosexuelles Paar, wo er sich aber alleine einen runterholt, ist eine Beziehung mit Rissen und Macken. Beide Partner versagen darin, sich gegenseitig erfüllend zu dienen und glücklich zu machen. Es ist wirklich schwer, perfekt und unbefleckt und dazustehen..

Jesus schießt den Vogel vollends ab. Er sagt allen Ernstes, dass allein der Gedanke, mal mit einem anderen als dem Ehepartner schlafen zu wollen, Ehebruch ist – der Bruch des siebten Gebotes. Und wer ein Gebot gebrochen hat, der ist des ganzen Gesetzes schuldig. Oh, oh…

Ja also, wenn das sooo ist, das geht doch gar nicht… Genau. Das dachten die Jünger auch, als Jesus ihnen in Mt 19 erklärte, dass die Ehe die treue Liebesbeziehung zwischen Gott und Menschheit widerspiegelt. Und weil Gott treu ist, sollte jede Ehe es auch sein und nicht geschieden werden, denn Gott scheidet sich schließlich auch nicht von seiner Braut. Wenn das sooo ist, so die Jünger, wenn die Messlatte also sooo hoch hängt, dann sollte man besser gar nicht erst heiraten. Das sei ja furchtbar, schrecklich sei das, völlig unmöglich! Und was antwortet Jesus darauf? Er sagt sinngemäß: Ich weiß. Das Leben in sexuellen Beziehungen ist alles andere als unkompliziert. Doch Gottes Maßstab ist, wo er ist, und da bleibt er auch.

Was haben wir Frommen daraus gemacht? Wir haben uns gegenseitig einen vorgemacht. Wir haben uns eingebildet, wir könnten die Messlatte einen Kilometer tiefer hängen und ohne Gnade auskommen. Wir glauben, wenn wir unserer eigenen Theologie folgen, dann leben wir sexuell gottgefällig und sündlos.

Das ist in gewisser Weise ziemlich arrogant, denn es gibt keine sündlosen Menschen – und auch keine sexuell sündlosen Männer und Frauen. Es gibt sie einfach nicht. Und diese Arroganz ist es auch, die uns manchmal auf andere herabblicken lässt, die anders leben und andere Maßstäbe haben, als wir selber es für gut, richtig oder “sündlos” halten.

Jesus würde wahrscheinlich fragen: Was siehst du den Splitter im Auge des Anderen und den Balken im eigenen Auge bemerkst du nicht? Womit ich einen fast perfekten Übergang zum nächsten Impuls geschaffen habe, den ich bald hier formulieren werde.

Hier geht’s weiter zum Impuls Nummer fünf.

Author

marcusis@icloud.com

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