September. Die erste frische Nacht. Auf der morgendlichen Hunderunde entdecke ich Tau, der fröhlich in der Sonne schimmert. Der Herbst muss wohl im Anmarsch sein. Doch wie der Regenbogen ist auch Morgentau eine Erinnerung für uns: Er erinnert an den Himmel. Er kommt über Nacht und ist einfach da. Wir müssen nichts dafür tun.
Aber wie oft denken wir, wir könnten den Tau des Himmels durch gutes Verhalten, frommes Erscheinen, Gottesdienstgänge, lange Gebete, sozialen Einsatz, den Zehnten geben, keine falschen Webseiten aufrufen und so weiter produzieren? Wie oft denken wir, wenn ich dieses tue und jenes lasse, dann wird mir Gott gefällig sein? Und umgekehrt: Wenn ich dieses lasse und jenes tue, dann wird er böse, droht mit dem Zeigefinger oder schickt mich in die trockene Wüste.
Derweil liegt der Tau auf jedem einzelnen Blatt und Grashalm. Als wollte er sagen: “Was für ein perverses Gottesbild habt ihr da gezüchtet.” Und für alle, die ganz besonders schwer von Begriff sind, lässt der Tau hier und da einen kleinen Miniregenbogen aufblitzen.
So wie das Wasser unsichtbar in der Luft gelöst war, bevor es zu Tau kondensierte, sind wir von Gott umgeben. Es geht nicht darum, es ihm recht zu machen, damit er uns wohlgesonnen ist. Es ist sowieso unmöglich, es Gott rechtzumachen.
Evangelium bedeutet, dass er uns schon wohlgesonnen ist, ohne dass wir eine einzige Regel gehalten haben. Das einzige, was Gott wirklich richtig glücklich macht, ist genau DAS zu glauben: Gott ist uns wohlgesonnen, egal wie eklig und verfilzt so manche Teile unseres Lebens sein mögen. Glauben ist ein anderes Wort für Vertrauen. Wir vertrauen, dass er da ist wie die Luftfeuchtigkeit. Wir lieben ihn mit unserem Vertrauen, nicht mit unseren Taten.
Und wenn wir es mal vergessen sollten, mag uns ein früher Morgenspaziergang wieder daran erinnern.