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Bettler mit Botschaft: Scene aus “Bruce Almighty”

Ich sah die Dame schon die ganze Zeit auf dem Busbahnhof herumschlawenzeln. Übergewichtig und im schmutzigen, aber farbenfrohen, südosteuropäischen Traditionsgewand. In der Hand jener typische Pappbecher mit ein paar Münzen drin. Mehrmals ignorierte sie mich, doch mein Bus ließ zu lange auf sich warten. Irgendwann stand sie direkt vor mir und schaute mich mit treuen Hundeaugen an. Ich wich nicht aus und blickte lächelnd zurück. Doch mein schönes Lächeln war ihr nicht genug. Sie wollte mehr von mir. Verführerisch tanzte der Becher vor meinem Gesicht. Tja, was soll man da machen? Ich lächelte noch etwas breiter und sagte freundlich: Nej, tack. Grad so, als hätte ich ein Stück Sahnetorte abgelehnt. Offenbar verstand sie aber kein Schwedisch. Aus dem anmutigen Becherbauchtanz wurde ein Becherkasatschok, mit Münzen im militärischen Gleichschritt rasselnd. Hinter dem Becher verfinsterten sich zudem die Hundeaugen. Mir war, als sollte ich beschwört werden, als würde ihre zweite Hand gleich eine Kristallkugel oder mindestens Tarotkarten aus dem Folklorekleid zaubern, um mir meine elende Zukunft im Falle meiner Verweigerung zu offenbaren. Also wiederholte ich meine Schwedischlektion. Nach nur fünf Wiederholungen hatte sie die beiden Worte “nej” und “tack” begriffen. Leider freute sie sich gar nicht über den kostenlosen Sprachunterricht. Ihr böser Blick war schwarz wie die Nacht, während sie von dannen zog.

Ich bin überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Keine faulen Ausreden bei Bettlern. Sich stattdessen freundlich grüßen und anschauen. So weit es geht ein paar Worte wechseln. Ich habe keine Angst vor Bettlern. Sie nerven mich auch nicht. Aufdringlicher als die dicke, bunte Dame wird kaum jemand. Die allermeisten akzeptieren ein Nein und wenn nicht, ist das ganz sicher nicht mein Problem. Ich kann auch fünfmal freundlich ”nein, danke” sagen, ohne genervt oder ausfällig zu werden.

Und dennoch denke ich ganz ehrlich, dass wir Bettlern etwas geben sollten. Nicht immer, aber immer wieder. Natürlich, es gibt dieses Gerede, dass das alles organisierte Banden seien, Menschen würden ausgenutzt und so etwas sollte man nicht unterstützen. Wer mir das sagt, erzählt mir mehr über sich selbst als über die Bettlerei. Mag sein, vielleicht ist einiges organisiert. Auf den Beweis warte ich aber immer noch. Wer mit dieser Logik auffährt, dürfte konsequent auch kein Auto kaufen, keine Schokolade essen und keinen Kaffee trinken. Mit all dem unterstützen wir sehr, sehr viel Dunkleres, was sich wirklich in der Welt organisiert hat. Einem Bettler etwas zu geben, hat meiner Meinung nach nur wenig mit organisierter Kriminalität zu tun.

Einem Bettler etwas zu geben, ist eine geistiche Übung. Eine Hantel für die Seele. Je öfter wir sie stemmen, desto stärker werden wir. Anfänger legen im Vorbeigehen vielleicht nur ein paar Cent in den Becher. Das ist das Leichtgewicht. Fortgeschrittene geben nicht nur Geld, sondern auch ein echtes, selbstsicheres Lächeln. Vielleicht tauscht man sogar ein paar Worte aus. Schwergewichte fragen, ob sie vielleicht etwas bestimmtes benötigen oder wünschen. Das kann ein Toastbrot oder eine Dose Red Bull sein, die man dann vom Einkauf mitbringt. Profi-Seelenbodybuilder bauen eine Beziehung auf und setzen sich dann und wann sogar für ein paar Minuten neben den Bettler.

Wer das tut, trainiert seine Großzügigkeit. Nicht nur finanziell. Man teilt großzügiger sein Lächeln, seine Zeit, sein Herz. Wer das tut, verändert seinen Charakter.

Jede Stadt ist heutzutage ein gigantisches Fitnesscenter. Gott hat an jeder Straßenecke Übungen für uns aufgestellt. Wir müssen sie nur nutzen.

ÜBERRASCHUNG!!! – Der Bettler war Gottes Verkleidung (gespielt von Morgan Freeman)

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marcusis@icloud.com

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