Wir haben zwar ein System, wie im Konfliktfall vorzugehen ist, doch manchmal muss ich eben selber ran. Das kommt nicht oft, aber immer wieder vor. Auch in diesem Jahr musste ich schon ran. Und was halte ich davon? Ich habe gelernt, das Konflikt grundsätzlich etwas Gutes ist. Konflikte zeigen die Vielfalt in der Schöpfung, ja, auch im Himmelreich. Ich bin mir sicher, dass es auch im Himmel unterschiedliche Meinungen, Erfahrungen, Ansichten oder Persönlichkeiten geben wird. So wurden wir eben geschaffen, und jeder Konflikt ist ein Beweis, wie sehr wir alle aufeinander angewiesen sind, um uns gegenseitig ergänzen zu können.
Armselig läuft hingegen meistens unser Umgang mit dem Konflikt ab. Anstatt voller Neugier erfahren zu wollen, was hier an Unerwartetem entstehen kann, laufen wir davon. Es ist die Konfliktscheu, die unsere Sündhaftigkeit beweist, nicht der Konflikt. Die Scheu sagt, ich laufe weg, ich bin mir selbst genug, ich brauche den anderen nicht. Die Scheu ist ein Ergebnis der Angst, die uns steuert. Angst, verletzt zu werden; Angst, zurückzuschlagen.
Der reife Christ begrüßt den Konflikt, findet Mut zur Begegnung mit dem Anderen, sucht nach den Lektionen, hat sich selbst unter Kontrolle, achtet den anderen höher als sich selbst, verleugnet sein Ego. So werden Konflikte im Himmel ausgetragen werden, und es wird jedes Mal ein großartiges Schauspiel werden, das im rauschenden Applaus der Zuschauer mündet: Ach, SOO hatte Gott sich die Lösung gedacht! Wie genial! Halleluja!
Wir sind auf Erden meist weit von der himmlischen Konfliktbewältigung entfernt, doch wir können ihr durchaus ein gutes Stück näher kommen. Das ist mein Bestreben, wenn ich als Vermittler eingeschaltet werde. Wir haben selten perfekte Lösungen erarbeitet, doch meistens eine Haltung der Versöhnung à la Himmelreich erreicht. Deswegen fahre ich meistens mit etwas mulmigen Gefühl auf solche Einsätze und komme mit dankbarem Herzen zurück: Ich durfte einen Tropfen Himmel verabreichen und selber schmecken.