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Mittsommer in Schweden. Wer nie mindestens zwei Jahre nördlich des 55. Breitengrades gelebt hat, kann sich die Auswirkungen von Licht und Dunkelheit auf Leben und Wohlbefinden, auf Gesellschaft und Kultur nicht im Entferntesten vorstellen. Mittsommer als längster Tag des Jahres wird deswegen gebührend gefeiert. Jeder genießt die Allgegenwart des Lichts. In alle Freude mischt sich aber auch ein wenig Schwermut, denn alle wissen: Von nun an geht’s bergab.

Darin unterscheiden sich die Skandinavier von den Christen des Westens: Der Nordeuropäer weiß, dass nun die Tage kürzer werden. Winter is coming. Der gemeine Christ des Westens hingegen weigert sich, die in der Ferne herannahenden Wetterfronten ernst zu nehmen. Teils ist er viel zu beschäftigt, teils verlässt er sich lieber auf zweifelhafte Scheinheiligkeiten. Dass Gemeinde immer wachsen werde, wenn man nur alles richtig mache. Dass Gott kein Leid und Ungerechtigkeit im eigenen Leben zulasse. Und wenn der Frost dann doch gekommen ist, sind – wer hätte das gedacht – die Scheunen leer.

Besonders fatal ist es, wenn selbst hochrangige Leiter die Gefahren nicht erkennen. Wenn man glaubt, man müsse nur den Mittsommerbaum etwas zeitgemäßer schmücken, etwas fetzigere Musik spielen, etwas hipper tanzen, dann werde sich der Winter schon aufhalten lassen. Die Blindheit vieler Verantwortlicher bereitet mir manchmal physische Schmerzen. Denn ich sehe, wohin es führen wird: Schwache Leiter haben schwache Nachfolger. Und eisiger Wind pustet Schwächlinge gnadenlos um.

Was tun?

Solange wir Licht haben, sollten wir tanzen und feiern und nicht vergessen, unserem Herrn  täglich zu danken. Und gleichzeitig müssen wir weise genug sein, die Heizung im Haus zu kontrollieren, Vorrat einzufahren, Taschenlampen in den dunklen Ecken zu plazieren. Wir müssen lernen, uns vorzustellen, wie es wäre, wenn unsere Gemeinde nur noch halb so groß und die einzige in der ganzen Stadt wäre. Wir müssen lernen, uns vorzustellen, eine kleine Minderheit in einer großen Gesellschaft zu sein, wo Kirche gar keine Rolle mehr spielt. Wir müssen lernen, uns vorzustellen, wie wir eine uns feindselige Welt lieben und segnen.

Wer sich darauf einlässt, für den mögen sie äußeren Umstände ebenso bergab rollen wie für alle anderen auch. Doch mit der eignen Seele geht’s bergauf, denn sie wird stärker, kommt ihrer eigentlichen Berufung näher. Denn starke Seelen feiern auch im dunkelsten Winter täglich Mittsommer im Herzen.

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marcusis@icloud.com

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