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Gastbeitrag von Kelli Crull

Kelli Crull ist Künstler und hat drei Gemeinden in Madrid gegründet. Gemeinsam mit seiner Frau April, Communitas’ stellvertretende Europadirektorin, und deren drei Kindern lebt er nun in Oviedo. Der Beitrag ist eine Predigt in Crulls sendender Gemeinde in Iowa. 

Guten Tag! Ich freue mich, heute hier bei Euch sein zu dürfen. Falls ihr uns noch nicht kennt, ich heiße Kelli Crull, und meine wunderbare Frau April ist auch hier. Ursprünglich komme ich aus Sioux Center, und ob ihr’s glaubt oder nicht, aber eure Gemeinde hat uns die letzten 15 Jahre als Missionare unterstützt. Ich kann’s kaum glauben, dass ich schon soo alt sein soll – aber das ist eine andere Geschichte.

Zu allererst möchte ich eine großes Dankeschön aussprechen, für Eure Unterstützung und Treue über so viele Jahre. Ohne Euch könnten wir nicht tun, was wir tun, also nochmals: Danke!

Wie schon erwähnt, leben wir in Spanien. Wer von Euch ist schon mal in Spanien gewesen? – Vielleicht wisst ihr noch gar nicht, dass Spanien für seine verrückten Festivals bekannt ist. Und damit meine ich buchstäblich verrückte, völlig absurde, durchgedrehte, irre, ausgefallene Festivals. Vielleicht habt ihr schon mal vom Bullenrennen gehört, das kommt aus Spanien. Oder Stierkampf, auch aus Spanien. ”Bous a la mar” – wo Stiere ins Meer getrieben werden, um mit ihnen zu schwimmen. Da wäre ”El Colacho”, das Babysprungfestival, oder die Schlacht der Ratten. Oder jenes doch recht merkwürdige Festival für alle, die im letzten Jahr eine Nahtoderfahrung hatten: sie werden dort in Särgen durch die Stadt exerziert. Nett, nicht wahr? Einmal war ich bei der größten Essenschlacht dabei. Den ganzen Tag lang bewirft sich eine ganze Stadt mit Essen. Ich kann euch versprechen, es gibt nichts Schlimmeres, als faule Tomaten in die Ohren zu kriegen.

Ok, ihr versteht, was ich meine. Und dann ist da noch jenes Festival, von dem ich schon so viel gehört hatte. Ich hatte Bilder gesehen. Doch ich war nie da, weil es so weit weg ist, in der Nähe Barcelonas, und das liegt immerhin neun Stunden von uns entfernt. Doch vergangenen Sommer hatten wir Gäste aus Amerika bei uns daheim, und die wollten unbedingt Barcelona sehen. Ich witterte meine Chance.

Wir verbrachten ein paar Tage in Barcelona. Und dann, am letzten Abend, sagte ich ihnen, dass ich noch eine Überraschung für sie hatte. Wir fuhren mit dem Zug in ein Dorf außerhalb der Stadt. Wir gingen mitten ins Dorf, da war ein Platz mit Restaurants, Cafés und Fußball kickenden Kindern. Abgesehen von den vielen Menschen gab’s nichts außergewöhnliches, und ich hatte Sorge, vielleicht ins falsche Dorf gefahren zu sein.

Wir beobachteten die Leute. Sie redeten und liefen herum. Absolut nichts besonderes, bis wir merkten, dass alle sich langsam zum Mittelpunkt des Platzes bewegten. Eine Gruppe starker, stämmiger Männer formierte sich in der Mitte, stellte sich im Kreis auf und verschränkte ihre Arme miteinander. Die Menschenmenge begann, sich in Kreisen um sie herum aufzustellen, sich gegeneinander zu lehnen, immer in Richtung Zentrum drückend. Ich müsst euch also eine ziemlich große Menschenmenge vorstellen, alle in Kreisen aufgestellt, Druck Richtung Mitte ausübend. Ich glaube nicht, dass ihr erratet, was dann passiert ist. Eine Gruppe Leute kletterte einfach auf die Menschenmasse drauf! Barfuß liefen sie über die Menschenringe zum Zentrum des Kreises. Auf den Schultern der anderen stehend, verschränkten auch sie ihre Arme. Und dann: Eine weitere Gruppe kletterte auf die schon oben stehenden Leute. Dann kletterte sie nächste Gruppe über alle und bildete eine weiteren Ring auf den anderen und immer so weiter, bis schließlich ganze sieben Etagen aus Menschen da standen! Die oberen zwei Etagen bestanden aus jungen Frauen.

Ich versuchte, so nahe wie möglich an die Menschentürme heranzukommen. Ich war völlig fasziniert von dem, was ich da sah, konnte jeden einzelnen klar und deutlich sehen. Die Männer am Boden leisteten extrem harte Arbeit. Ihre Venen quollen aus ihren Gesichten hervor. Sie schnitten Grimassen. Ich sage Euch, sie gaben ihr Äußerstes, dem enormen Gewicht standzuhalten. Doch die oberen Etagen waren noch faszinierender, weil dieser Turm aus Menschen, nicht aus Holz oder oder Steinen gebaut war. Ein Turm, der lebt, der sich bewegt!  Er schwankte. Er war wackelig. Er war zerbrechlich. Es sah aus, als könnte er jeden Moment zusammenbrechen. Die Menschen zittern. Sie konzentrieren sich bis zum Letzten. Jeder einzelne muss jede einzelne gefährliche Bewegung kompensieren, um den Turm aufrecht zu erhalten und einen Einsturz zu verhindern.

Und dann erst! Jetzt kommt das Unglaublichste von allem. Eine Mutter nähert sich. Sie trägt ein Kind, ein Mädchen, vielleicht fünf, sechs Jahre alt. Das Kind trägt einen Helm. Sie geht zur Menschenmenge, und das Kind springt auf die Leute wie ein kleiner Affe, wuselt und wieselt sich über die Menge, und dann, ja, dann beginnt sie zu klettern. Sie klettert über die erste Etage, dann die zweite, die dritte, die vierte, die fünfte, die sechste, und schließlich ist das Kind ganz oben; oben auf der Spitze angekommen. Langsam erhebt sie sich, stellt sich hin. Dann erhebt sie langsam die Arme, ihr Gleichgewicht haltend, streckt ihre Hände in die Luft, um allen zu zeigen, dass sie es geschafft hat. Die Menschenmenge bricht in frenetischen Applaus aus, lauter Jubel, klatscht, ruft, grölt; Musik beginnt zu spielen.

Und gleitet sie den Turm wieder herunter, einfach so, den ganzen Weg bis nach unten. Dann beginnt die nächste Etage den Abstieg, Schicht fur Schicht, es geht so schnell, und plötzlich ist alles vorbei. Der ganze Zauber darf nicht länger als drei Minuten dauern, denn selbst die Stärksten halten es nicht länger aus.

Ich möchte euch ein kurzes Video zeigen, wo ihr es selbst sehen könnt. Ich muss euch aber sagen, es ist ein völlig anderes Erlebnis, wenn man dort ist und es mit eigenen Augen sieht! Wenn Ihr also jemals in Barcelona seid, dann MÜSST ihr den Menschenturm sehen.

Ich stehe also dort, beobachte das ganze Ereignis, und plötzlich strömen Tränen aus den Augen. Und ich weiß nicht, warum. Später kann ich mit April darüber reden. Ich sage: ”Das war so eigenartig. Ich hab’ plötzlich angefangen, zu weinen. Einfach so! Ich konnte nicht aufhören, und ich weiß nicht, wieso.” Und April sieht mich an und sagt: ”Mir ist das gleiche passiert. Es war völlig verrückt. Ich habe einfach nur geweint!”

Als ich mich auf diese Predigt vorbereitet habe, fand ich heraus, dass fast alle, die den Menschenturm zum ersten Mal sehen, davon berichten, dass sie einfach nur geweint haben. Sie haben einfach nur geweint.

Unsere Aufgabe ist es also, Gemeinden dort zu starten, wo es keine gibt. Wir sind bewusst in ein Land mit wenigen Christen gezogen und haben in einigen Landesteilen gelebt, wo es so gut wie gar keine gibt. Als Gemeindegründer nehme ich als einer der ersten wahr, dass es in einem bestimmten Gebiet fast keine Christen gibt. Die Statistik sagt, dass auf 100 Einwohner nur ein, höchstens zwei bewusste Jesusnachfolger gibt.

Neulich sagte mir jemand, dass der Vater eines Schulfreunds unserer Kinder Christ sei. Als ich ihn das nächste Mal sah, sprach ich ihn darauf an, doch er sagte: “Ja, aber ich spreche nie darüber. mit keinem.” Ich wollte wissen, warum, doch er meinte: “Niemand will darüber reden, noch nicht einmal meine Frau.” 

Ich frage mich natürlich, wie so eine kleine Schar einsamer Christen in einem ländlichen Gebiet Spaniens je in der Lage sein wird, ein ganzes Land zu verändern.

Und dann erinnere ich mich an die Menschentürme. Die Türme inspirieren mich, denn es sind nur Menschen. Ganz normale, gewöhnliche Leute wie du und ich. Keine Athleten. Sie benutzen keine Maschinen, keine Seile, Netze oder doppelten Boden. Nur Menschen. Ganz normale Menschen.

Gewöhnliche Menschen, die Außergewöhnliches leisten.

Und nicht nur das. Der wahre Star der Show, der mutigste Mensch von allen, der den ganzen wackeligen Weg von ganz unten bis zur gefährlich wankenden Spitze erklimmt, ist ein Kind. Eine ganze Gemeinschaft strukturiert sich und strengt sich bis zum Alleräußersten an, damit ein Kind den Ruhm und die Ehre einer krönenden Spitze bekommt.

Es ist wirklich beeindruckend, diese Menschen zu sehen, wie sie einen so hohen Turm bauen. Aber mal ganz ehrlich gefragt, was ist eigentlich der Zweck eines solchen Turms? Ihm fehlt  jeder Sinn. Er hat keinen Auftrag. Er löst kein Problem. Er hält noch nicht mal lange.

Aber warum weinen dann so viele Leute, wenn sie solch einen fertig gebauten Turm mit eigenen Augen sehen? Ich denke, wir weinen, weil wir plötzlich eine kleine Ahnung bekommen, wie Gott sich so manches vorgestellt hat. Wir mögen uns nicht immer dessen bewusst sein, aber Römer 1,20 erinnert uns daran, dass Gottes ganze Schöpfung Gott verherrlicht. Ein Menschenturm wird von einer Gruppe Menschen gebaut, die zu lebendigen Bausteinen werden. Jeder leistet seinen Teil. Der Turm kann nur stehen, wenn jeder sein Ganzes gibt, und alle anderen sich darauf verlassen können. Das Ergebnis ist eine Heldentat. Viel zu selten sehen wir die Menschheit in Gemeinschaft ihr Bestes geben. Die Menschentürme geben uns nur eine winzige Ahnung dessen, was die Menschheit in Wahrheit leisten könnte, wenn sie lebte, wie Gott es gedacht hat.

In seinem Brief an die Epheser schreibt Paulus:

  • Und auch die versprochenen »Gaben« hat er ausgeteilt:

    Er hat die einen zu Aposteln gemacht, andere zu Propheten, andere zu Evangelisten, wieder andere zu Hirten und Lehrern der Gemeinde. Deren Aufgabe ist es, die Glaubenden zum Dienst bereitzumachen, damit die Gemeinde, der Leib von Christus, aufgebaut wird.

    So soll es dahin kommen, dass wir alle die einende Kraft des einen Glaubens und der einen Erkenntnis des Sohnes Gottes an uns zur Wirkung kommen lassen und darin eins werden – dass wir alle zusammen den vollkommenen Menschen bilden, der Christus ist, und hineinwachsen in die ganze Fülle, die Christus in sich umfasst. Wir sind dann nicht mehr wie unmündige Kinder, die kein festes Urteil haben und auf dem Meer der Meinungen umhergetrieben werden wie ein Schiff von den Winden. Wir fallen nicht auf das falsche Spiel herein, mit dem betrügerische Menschen andere zum Irrtum verführen. Vielmehr stehen wir fest zu der Wahrheit, die Gott uns bekannt gemacht hat, und halten in Liebe zusammen. So wachsen wir in allem zu Christus empor, der unser Haupt ist. Von ihm her wird der ganze Leib zu einer Einheit zusammengefügt und durch verbindende Glieder zusammengehalten und versorgt. Jeder einzelne Teil erfüllt seine Aufgabe, und so wächst der ganze Leib und baut sich durch die Liebe auf. 

Eine Gemeinde besteht auch nur aus Menschen. Gewöhnliche Menschen, die Außergewöhnliches leisten.

Jeder Mensch hat Gaben erhalten, sagt Paulus, wir sind zum Dienst ausgestattet. Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten, Lehrer. Alle arbeiten zusammen, als Einheit. Wenn wir als ein Turm zusammenhalten, entwickeln wir unsere volle Reife, kommen wir der Fülle Christi näher. Wir werden nicht umhergetrieben. Wir sprechen Wahrheit in Liebe. Wir wachsen und reifen.

Und so, wie die ganze Welt nach Barcelona reist, um die Menschentürme zu sehen, so will Gott sich durch die Gemeinde bekannt machen. Wir sind sozusagen Gottes Turm. 

  • Ihr Menschen aus den anderen Völkern seid also nicht länger Fremde und Gäste. Ihr habt Bürgerrecht im Himmel zusammen mit den heiligen Engeln, ihr seid Gottes Hausgenossen. Denn ihr seid ja in den Bau eingefügt, dessen Fundament die Apostel und Propheten bilden, und der Eckstein im Fundament ist Jesus Christus. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten, durch ihn, den Herrn, wächst er auf zu einem heiligen Tempel. Weil ihr zu Christus gehört, seid auch ihr als Bausteine in diesen Tempel eingefügt, in dem Gott durch seinen Geist wohnt. (Eph 2, 19-22)
  • Gerade mir, dem Geringsten von allen, die er in sein heiliges Volk berief, hat er diesen Auftrag anvertraut, den anderen Völkern die Gute Nachricht von dem unergründlichen Reichtum zu bringen, der uns durch Christus geschenkt wird. Ich sollte ans Licht bringen, wie Gott seinen verborgenen Plan verwirklicht. Er, der alles geschaffen hat, hat diesen Plan vor aller Zeit gefasst und als sein Geheimnis bewahrt. Jetzt macht er ihn den Mächten und Gewalten in der himmlischen Welt durch seine Gemeinde bekannt: An ihr und durch sie sollen sie seine Weisheit in ihrem ganzen Reichtum erkennen. So entspricht es Gottes ewigem Plan, den er durch Jesus Christus, unseren Herrn, ausgeführt hat. (Eph 3,8-11)

Abschließend möchte ich zu meiner Frage zurückkehren: Kann eine kleine Schar einsamer Christen in einem ländlichen Gebiet Spaniens je in der Lage sein, ein ganzes Land zu verändern? Ich glaube, ja, wir können es. Wenn diese lebendigen Türme die ganze Welt inspirieren können, dann kann Gemeinde Gottes ursprüngliches Design für die Menschheit sichtbar machen. Sie werden Gemeinschaft und Zusammenhalt sehen. Sie werden einen kleinen Tropfen davon schmecken, wie die Welt eigentlich gedacht war. Sie werden Hoffnung spüren. Und sie werden so bewegt davon sein, dass es schwer sein wird, dieses Erlebnis je wieder vergessen zu können.

(Übersetzung von Marcus)

Author

marcusis@icloud.com

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