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Foto: Die blutrot-faszinierende Fassade des Petersen Automotive Museum in Los Angeles, fotografiert im Vorbeifahren bei Nacht

Die jetzige Diesel- oder Emissionsdebatte erinnert an die Kirche. Oder umgekehrt.

Kirche und Verbrennungsmotor. Begriffe, die vielleicht mehr gemeinsam haben, als man erwartet: Stärke. Dominanz. Beide haben viele Menschen bewegt. Und beide teilen eine gemeinsame Zukunft – eine düstere. Warum?

Kirche leitet sich von kyriakon ab, das heißt “dem Herrn gehörend”. Es kommt von den alten heidnischen Tempeln, die im Zuge der politischen Christianisierung fortan “zum Herrn gehörten” und damit kyriakon, eine Kirche wurden. Künftig verrichteten nämlich keine heidnischen, sondern christliche Priester die Zeremonien innerhalb der Tempelmauern. Kirche wurde damit der Begriff, der das europäische Christentum in vielen Sprachen auf den Punkt bringen sollte. Noch heute denken Europäer bei #Kirche vor allem an #Gebäude, in denen heilige #Profis #sonntags #Rituale vollziehen. Selbst Freikirchen richten sich nach diesem Modell: Gebäude, Profi, Sonntag, Ritus; auch wenn man holzige Kirchbänke gerne durch stylische Kinosessel und die Orgel durch eine Band ersetzt. 

Es scheint der unsterbliche Gruß Konstantins zu sein, jener römische Kaiser, der Kirche und Christianisierung erfand, als er die verfolgten Christen des vierten Jahrhunderts plötzlich und unerwartet mit stattlich staatlicher Autorität versah. Plötzlich gab es Macht, richterliche Gewalt, Steuervorteile. Vor Konstantins Wende musste ein Christ um sein Leben fürchten, danach erhielt er viele Vorzüge. Kein Wunder also, dass plötzlich jeder Römer Mitglied der Kirche werden wollte. So wurde ganz nebenbei auch noch das Namenschristentum erfunden. Rom stellte sich hinter die Kirche, und diesem Muster folgten später so ziemlich alle Staaten Europas. Modell Konstantin erhielt das Monopol auf die Europareligion und entwickelte sich später sogar zum Exportschlager der Weltmission. So hat Kirche 1700 Jahre überlebt – und nicht immer, aber immer wieder auch viel Gutes geleistet.

Doch dann änderte sich alles. Der Trend hatte sich lange angekündigt. Heute ist es kein gesellschaftlicher Nachteil mehr, kein Mitglied einer Kirche zu sein. Das Namenschristentum hat ausgedient. Die Kirchen sehen zuhauf Mitglieder und Goldtaler davonlaufen bzw. -rollen. So manche Kyriakon wurde schon samt Glockenturm zu Läden, Pubs und Kletterhallen, dem Mammon statt dem Herrn gehörend. Der Schwund bedroht die Denominationen. Und wie reagieren diese?

Genauso, wie die Autoindustrie: So tun, als sei nichts geschehen. Trotz enormer Klimaveränderung baut man weiter Motoren – Verbrennungsmotoren. Nur schönere, neuere, hippere, schnellere. Sogar mit pfiffigen Softwares. Es kann nämlich nur eine Lösung geben: Schminken und sonst weitermachen wie gehabt. Anfang der achtziger Jahre drückte ich die Realschulbank. Wir lernten über Umweltverschmutzung und sauren Regen. Ich erinnere mich genau, wie die Lehrer uns erklärten, dass es längst alternative Antriebskonzepte gebe. Doch die seien bei den großen Konzernen unter Verschluss. Man kaufe sogar gute Patente auf, um sie dann nicht umzusetzen. Konnte das sein?

Es war denkbar und doch konnte ich es mir nicht vorstellen. Warum sollte man keine Veränderung wollen? Bis ich im Dezember 2017 die Gelegenheit hatte, das Petersen Automotive Museum in L.A. zu besuchen. Dort standen die ältesten Oldtimer mit Elektroantrieb. Uralte, elektrische Rennwagen. Von wegen Tesla ist eine neue Idee. Es gab eine ganze Evolution an Fahrzeugen mit Brennstoffzellen zu bewundern. Seither bin ich gezwungen, mir das Hirn über diese eine Frage zu zerfurchen: Was wäre gewesen, wenn die Billionen Dollar, D-Mark oder Euros eines ganzen Jahrhunderts in die Forschung von umweltfreundlichen Batterien und Antriebsmethoden geflossen wäre anstatt in Abgasbomben?! Wo könnten wir heute sein??!

War die Kirche ein zu schlechtes Beispiel? Die hat es uns ja schließlich vorgemacht! Alles, was anders war als Kirche es wollte, wurde bekämpft, und wenn es nicht ging, hat man es gekauft und einverleibt. Durch Konstantins Brille sieht das alles logisch aus. Wäre da nicht dieser eine, winzige, aber tragische Unterschied: Während Verbrennungsmotoren die logische Fortsetzung ihrer genialen Erfinder Nicolaus Otto und Rudolf Diesel sind, hat der Erfinder des Christentums nie irgendwelche politische Macht angestrebt. Kirche gab’s noch nicht einmal in seinem Wortschatz. Nie befahl er seinen Jüngern, Kirchen zu bauen oder sich gar wie Profisoldaten aufzuführen – wenn sie es trotzdem taten, heilte er seinen Feinden die Ohren wieder an. Mein Hirn zerfurcht sich also weiter: Was wäre gewesen, wenn wir statt Kirche zweitausend Jahre Bergpredigt und Auferstehung gelehrt und gelebt hätten? Wo könnten wir heute sein? Wie sähe ekklesia, die biblische Bezeichnung für christliche Gemeinschaften, heute aus, wenn es Konstantin nie gegeben hätte? 

Wir wissen es nicht. Und es ist unmöglich, zu spekulieren. Es könnte bestenfalls die Idee zu einem interssanten Film werden.

Was wir aber wissen, ist, dass wir zwar die Vergangenheit nicht ändern können, die Zukunft aber sehr wohl. Sie liegt in unseren Händen. Und da nützt es weder, dass Autobauer jammernd und genervt die Augen rollen, wenn die EU-Umweltminister beschließen, den CO2-Ausstoß um 35% zu senken. Noch hilft es, Modell Konstantin immer weiter aufzupeppen. Wir brauchen etwas ganz Neues – lies langsam leise flüsternd und nochmal: etwas ganz Neues, das auf etwas ganz altes zurückgreift.

Es gab sie schon mal, die E-Rennwagen, einfache, multiplizierende Gemeinden, Brennstoffzellenautos. Alles schon da gewesen. Wir müssen nur das Gewohnte loslassen können. Wer das nicht schafft, verpasst zu viel.

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marcusis@icloud.com

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