Bevor hier bald ein Post über den “Preis des Optimismus” erscheint, halte ich es für angebracht, einige Bemerkungen zum vergangenen Gebetsclip zu machen. Es gibt nämlich eine gewisse Unkenntnis darüber, was (Winter-) Depression ist bzw. nicht ist und ich möchte gern vermeiden, dass der kommende Beitrag unter falschen Annahmen gedeutet wird. Depression ist in Schweden besonders im Winter weit verbreitet, deshalb mach ich’s kurz und beschränke mich nur auf das, was mich betrifft.
Zunächst: Es handelt sich in meinem Fall um zeitlich begrenzte Episoden einer Gemütskrankheit (affektive Störung) mit leichtem bis mittelschwerem Grad. Obwohl es physiologische Gründe hat, d.h. Störungen im Hormonhaushalt aufgrund der hiesigen Lichtverhältnisse, spielen seelische und geistliche Einflüsse auch eine Rolle. Der unbalancierte Hormonhaushalt kann in meinem Fall nicht einfach ausgeglichen werden (z.B. das fehlende Hormon durch Pillen ersetzen), hingegen wäre es leicht, sich Psychopharmaka verschreiben zu lassen. Doch diese verweigere ich. Zum Beispiel will ich bewusst leben. Das ist einer meiner wichtigsten Lebensgrundsätze. Lebensbewusstsein heißt, in der Gegenwart präsent zu sein, den Augenblick im Guten wie im Schlechten zu erleben, ohne die Realität einzulullen oder zu betäuben. Außerdem möchte ich mir jegliche Nebenwirkungen ersparen.
Depression kann viele Symptome haben. Bei mir ist Antriebslosigkeit am stärksten ausgeprägt, kombiniert mit Stress, Schlaflosigkeit und anderen Nebensymptomen. Ich betone aber, dass innere Demotivation und “Schwarzsehen” (wie Pessimismus oder Kleinmütigkeit) für mich ganz verschiedene Dinge sind. Vielmehr sind rationales Denken und emotionales Empfinden nicht mehr gekoppelt. Ich kann klar denken und lese sogar interessiert Fachbücher – wenn auch deutlich langsamer. Ich kann Aufgabe A für eine enorm wichtige Sache halten, doch kaum die Kraft aufbringen, sie zu erledigen. Was wiederum den Stress durch wachsende To-do-Listen erhöht.
Depression bedeutet auch nicht, nicht lachen oder keinen Spaß haben zu können. Normalerweise merkt mir kaum jemand eine Depression an. Sie treibt ihr Unwesen versteckt im Inneren, oft in der Nacht, aber auch am hellichten Tag inmitten von Menschen. Kein Witz und auch sonst niemand, noch nicht einmal ich selbst, kann dort Einfluss nehmen, so sehr ich es auch versuche.
Drittens bin ich irgendwie sogar dankbar für diese sich wiederholende Erfahrung, auch wenn sie diesen Winter extremer als sonst ausfällt. Das mag merkwürdig klingen. Doch es gibt so viele, die an irgendeiner Form von Depression leiden. Selbst ein Betroffener zu sein, schafft Verständnis und Glaubwürdigkeit. Und damit bin ich irgendwie ein bisschen näher an den Menschen. Das ist also der Kontext, in dem meine derzeitige Blogposts entstehen…