Zum Geburtstag habe ich eine Sportuhr bekommen. Finnisches Modell, gefertigt nahe der Wälder, in denen wir unsere Hochzeitsreise verbracht haben.
Seither laufe ich noch mehr als sonst. Ich muss es auch, denn in wenigen Wochen werde ich meinen ersten und vermutlich einzigen Marathon laufen, so Gott will. Stundenlang bin ich diesen Sommer querfeldein durch die Wälder gejoggt, die fast direkt vor unserer Haustür liegen und von denen ich zwar irgendwie wusste, dass es sie gibt (ich bin ja oft genug daran vorbeigefahren) ich aber keine Ahnung hatte, wie groß, wunderschön und vor allem einsam ein Wald in Großstadtnähe sein kann. Ein wunderbarer Wurzelpfad hier, imposante Felsen dort, plötzlich ein Aussichtspunkt auf einer wilden Erhöhung, dann zu einem versteckten See mit Badefelsen, der perfekter nicht hätte sein können. Die Vögel schienen mich manchmal zu begrüßen, ich habe Libellen und Schlangen gesehen und mich an Heidelbeeren ohne Ende gestärkt. Manchmal bin ich ein paar Hundert Meter am Ufer entlang geschwommen oder habe einen See durchquert um herauszufinden, was auf der anderen Seite wartet. Mir gibt diese körperliche Bewegung in der Natur ein tiefes Gefühl von Freiheit.
Und damit ein nötiges Gegengewicht zum tiefen Gefühl der Sorge und Trauer, die mich begleitet. Darüber, dass der Mensch so unwillig ist, sich zu ändern. Die Julinachrichten aus Deutschland haben mich wieder mal besonders bewegt. Wie schon der Waldbrand im letzten Jahr so traf es mich wieder knüppelhart, als ich in ausländischen Medien Menschen in meinem Heimatdialekt über Katastrophen reden hörte, die sie getroffen hatten. Mein Kopf weiß sehr wohl, dass das alles passieren wird, dass das nur der Anfang ist und was sonst noch alles passieren kann und wird – doch diese Nachrichten bewegen vor allem mein Gefühl und springen mir damit an die Seele: Meine Heimat, der Platz, an dem ich lebe, zerbröselt! Damit meine ich nicht nur die Heimatstadt meiner Kindheit, sondern auch den Regenwald, die Gletscher der Alpen und des Himalaja, den Golfstrom, das Packeis. Von alledem ist meine alte Heimat ebenso abhängig ist wie deine, egal, wo du auch wohnst, oder meine neue Heimat im Norden. Es erschüttert mich immer mehr, dass wir glauben, Gott sei klein genug für eine Streichholzschachtel, nur, um weiterzumachen, wie bisher. Der Mensch, der sich selbst anbetet und damit sein Ziel verfehlt, seinen Auftrag verdreht und alles kaputt macht, ist für mich eine große Last auf meiner Seele. Denn ich soll mich für Hoffnung, Umkehr und Veränderung einsetzen, sehe aber das Gegenteil. Es bricht mir das Herz.