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(Woche 10/22)

Gerade ist viel los in der Welt, das kommt wohl allen so vor. Wahrscheinlicher ist, dass eigentlich immer so viel los ist, die nationalen Nachrichten in der Regel aber nur das präsentieren, was uns gerade “am Wichtigsten” erscheint. Das ist nachvollziehbar, verzerrt aber unsere Wahrnehmung. Der Vergleich von internationalen Nachrichten ist deshalb hochinteressant. Und so stelle ich gerade fest, dass wenig von dem, was gerade in Skandinavien vorkommt, in deutschen Nachrichtenkanälen zu finden ist. Da wir aber hier leben und viele Blogleser uns persönlich kennen, möchte ich Euch hier eine keine Zusammenfassung geben.

Summa summarum wäre herauszustellen, dass hier gerade Dinge geschehen und öffentlich diskutiert werden, die noch vor wenigen Wochen als absurd und undenkbar gegolten hätten.

Historisch gesehen haben alle skandinavischen Länder unterschiedliche Entscheidungen in ihren jeweiligen internationalen Partnerschaften und Zusammenarbeiten getroffen:


Dänemark

EU-Mitglied:

JA

Schengen:

JA

Mitglied der Währungsunion:

NEIN
(dänische Krone)

NATO-Mitglied:

JA

Norwegen

EU-Mitglied:

NEIN

Schengen:

JA

Mitglied der Währungsunion:

NEIN
(norwegische Krone)

NATO-Mitglied:

JA

Schweden

EU-Mitglied:

JA

Schengen:

JA

Mitglied der Währungsunion:

NEIN
(schwedische Krone)

NATO-Mitglied:

NEIN

Finnland

EU-Mitglied:

JA

Schengen:

JA

Mitglied der Währungsunion:

JA
(Euro)

NATO-Mitglied:

NEIN


Auch das kollektive Kriegsgedächtnis ist in den jeweiligen Ländern unterschiedlich geprägt: Dänemark, Norwegen und Finnland waren in Kriegshandlungen des Zweiten Weltkriegs beteiligt. In Schweden liegen die letzten aktiven Kriege über 200 Jahre zurück. Sowohl der Schwedisch-Norwegische Krieg als auch Schwedens Teilnahme am Befreiungskrieg endeten 1814. Generell sind alle skandinavischen Kulturen eher friedliebend und wenig auf Provokation und Konflikt aus. Doch nun ändert sich einiges.

Putins Äußerungen lassen darauf schließen, dass er nicht nur die Sowjetunion, sondern die Grenzen des russischen Kaiserreiches wiederherstellen möchte. Dazu gehörte unter anderem auch das Gebiet Finnlands. Finnland ist mit seiner über 1300km langen Grenze nach Russland und Nicht-Natomitglied in höherer Alarmbereitschaft. Putin verbittet sich außerdem lautstark den Beitritt weiterer Länder in die NATO, dazu gehören auch Finnland und Schweden, die sich daraufhin jegliche Forderung dieser Art und Einmischung in die Souveränität der Staaten lautstark verbitten.

Seit Putins brutalem Angriffskrieg auf die Ukraine ist allen klar, dass mit Putin nicht zu spaßen ist. Er wird als unberechenbarer Despot angesehen, dem theoretisch jede Dummheit zuzutrauen wäre. Entsprechend ist Schweden militärisch aktiv geworden. Das Militär patrouilliert in den Schären auf der Suche nach U-Booten. Man hört wieder Düsenjäger fliegen und üben. Plötzlich werden viele Manöver durchgeführt, auch gemeinsame mit anderen Ländern.

Während eines solchen gemeinsamen Manövers von Finnland und Schweden in der Ostsee drangen kurzzeitig vier russische Kampfjets in den schwedischen Luftraum ein. Dies geschah zu gleichen Zeit, als sich der schwedische und finnische Verteidigungsminister auf der Insel Gotland trafen. Diese offensichtliche Verletzung des Hoheitsgebiets ist als bewusste Markierung, wenn nicht sogar als Drohung Russlands zu verstehen.

Während eines anderen gemeinsamen Manövers von Schweden, Dänemark und Großbritannien sicherte vergangene Woche der britische Verteidigungsminister Schweden im Falle eines russischen Angriffs militärische Unterstützung zu.

Nie war die Zustimmung der schwedischen Bevölkerung so groß, Mitglied der NATO zu werden. Wahrscheinlich ist, dass Schweden und Finnland eine gemeinsame Entscheidung treffen werden. Derzeit haben beide Länder einen NATO-Sonderstatus ersucht.

Tatsache ist, dass nach über 200 Jahren ein Krieg in Schweden nicht mehr völlig ausgeschlossen wird. Derzeit werden alle möglichen Gesetze und Regelungen hervorgekramt, was ein Kriegsfall in den jeweiligen Bereichen der Gesellschaft praktisch bedeuten könnte. Vor wenigen Jahren bereits hatte die schwedische Behörde für “Gesellschaftsschutz und Bereitschaft” eine Broschüre an alle Haushalte des Landes verschickt: “Wenn Krieg oder Krisen kommen“. Sie enthält viele Tipps, wie jeder einzelne sich vorbereiten kann und sich im Ernstfall verhalten sollte. Damals wurde die Broschüre etwas belächelt. Heute gehört sie zu den am meisten heruntergeladenen Dokumenten des Landes.


Bild: The Principal Geological Features of Europe von Oliver Goldsmith (1730-1774)

Author

marcusis@icloud.com

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