… und war’s eigentlich auch schon immer.
Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit den Auferstandenen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit.
Die Bibel: 1 Thessalonicher 4:17
So steht’s in der Bibel und für viele Christen ist “die Entrückung” fester Bestandteil des Glaubens. Das respektiere ich voll und ganz und möchte keine eschatologische Diskussion beginnen. Ganz gewiss will ich nicht als Besserwisser rüberkommen. Diskussionen über Dinge, die wir nicht vollständig verstehen, können eine Tendenz entwickeln, emotional und schnell destruktiv zu werden. Genau das möchte ich nicht, sondern nur einmal und nur kurz und bündig meine Gedanken zum Thema Entrückung formulieren, und damit vielleicht einen kleinen Beitrag zur allgemeinen Diskussion leisten. Vor allem aber möchte ich ein wichtiges Argument zu bedenken geben, und zwar zum Wohle der ganzen Gemeinde.
Mir wurde die Bibel ja nicht mit der Muttermilch eingeflößt. Als ich als Teenager begann, mich dafür zu interessieren, musste mir alles erstmal erklärt werden. Auch die Entrückung. Ehrlich gesagt, eine sehr merkwürdige Sache. Menschen, die durch die Luft fliegen. Aber so steht es in der Bibel, und vieles kann und muss man auch nicht wissenschaftlich erklären können. Es will geglaubt werden.
Die theologischen Erklärungen, die mir dazu gegeben wurden, brachten aber kein Licht ins Dunkel, sie machten vieles noch merkwürdiger. Ich habe es gerne glauben wollen und gerne geschluckt, aber ein gewisses inneres Kopfschütteln ist immer geblieben. Mit den Jahren sind meine Zweifel nicht weniger geworden. Im Gegenteil, mir fiel immer mehr auf, das irgendwie nicht zusammenpasste.
Matthäus 24:40-41
Dann werden zwei auf dem Felde sein, der eine wird angenommen, der andere wird preisgegeben.
Matthäus 24:40
Dieser Vers wird mit dem sehr ähnlichen, nachfolgenden V41 oft mit größter Selbstverständlichkeit als Erklärung für die Entrückung gegeben. Ich habe diesen Zusammenhang nie sehen können. Es kam mir vor, als vergleiche man Äpfel mit Autoreifen. Vielleicht ist es nur meine Blindheit. Gewiss, man kann Autoreifen auch an Apfelbäume lehnen, aber sonst kommt mir die Logik dieser Argumentation sehr, sehr schwach und extrem weit hergeholt vor.
Jesus kommt zweimal wieder
Jesus sagt, dass er wiederkommen wird. Das neue Testament bestätigt das. Doch es ist explizit immer nur von der, von der einen Wiederkunft die Rede. Gemäß der üblichen Entrückungstheologie kommt Jesus aber zweimal wieder. Das erste Mal, um seine Gemeinde zu entrücken, das zweite Mal, um dann eben richtig zu kommen. Ich verstehe auch das nicht, es will mir nicht einleuchten.
Jesus ist derjenige, der umkehren muss
Bei der Entrückung, so stellt man sich das vor, kommt Jesus aus dem Himmel zur Erde, aber nicht den ganzen Weg. Die Gläubigen schweben ihm von der Erde aus entgegen. Irgendwo trifft man sich. Und dann wendet Jesus sein Pferd und zieht sich wieder zurück. Wir Menschen allerdings dürfen geradlinig weiterziehen. Bedenkt man die immer wieder verblüffende Liebe zum symbolischen Detail in der Bibel, der versteckte Subtext zwischen den biblischen Zeilen und Büchern, dann habe ich es extrem schwer zu glauben, das Jesus derjenige ist, der umkehren muss während wir so weiterziehen wie gehabt. Fehlt nur noch, das Jesus uns folgt. Es fällt mir sehr, sehr schwer, mir das so vorzustellen.
Darby
Ein weiteres Argument, das meine Stirn runzeln lässt, ist die Tatsache, dass unsere “Entrückungslehre” noch keine 200 Jahre alt ist. Der Ire John Nelson Darby hat maßgeblich mit seinem theologischen Weltbild dazu beigetragen. Vor Darby gab es keine solche Entrückungslehre, seit Darby scheint in manchen amerikanischen Gemeinden das ganze Heil von eschatologischen Überzeugungen abzuhängen. Das macht mich stutzig. Sind wir die einzigen, die das Neue Testament “richtig” lesen, oder bilden wir uns hier nur etwas ein?
Doch mein wichtigstes Argument ist folgendes
Mir persönlich ist es heute eigentlich völlig egal, ob eine Entrückung so oder anders oder früher oder später stattfindet. Ich weiß es nicht und du weißt es auch nicht. Solange wir davon ausgehen, dass Jesus eines Tages wiederkommen wird, können wir alle Fragen getrost auf die lange Bank schieben und einfach nur abwarten. Aber genau das, das Warten nämlich, könnte zu einem Problem werden. Vor allem in einer Welt wie der heutigen, wo das Klima, der ganze Planet unseren Lebenswandel immer etwas mehr, immer etwas deutlicher, immer etwas schmerzhafter in Frage stellen wird. Natürlich wäre es angenehm, rechtzeitig von allen Unannehmlichkeiten entrückt zu werden und das totale Chaos “den Bösen” zu überlassen. Was aber, wenn dann keine Entrückung passieren wird? Was, wenn Jesus erst ganz, ganz, ganz am Ende wiederkommt? Wenn wir durch die ganze, lange “Trübsalszeit” mit dem kompletten Chaos in einen Topf geworfen werden, ihm vollständig ausgesetzt sind? Wenn es so kommen sollte (was ich sicher nicht anstrebe!) dann möchte ich mich rechtzeitig auf’s Durchhalten in schweren Zeiten vorbereiten. Das Hoffen auf eine vorzeitige Entrückung hilft in dem Fall nicht viel. Im Gegenteil, es wird nur zu Zweifeln und Enttäuschung führen, wenn das, worauf man so sehr hoffte, einfach nicht geschehen will. Zweifel und Enttäuschung, die vermieden werden können. Deshalb hinterfrage ich einen naiven und weltfremden Entrückungsglauben und fordere dazu auf, rechtzeitig mit dem Training für’s Durchhalten und Überwinden zu beginnen. Denn die Bibel spricht auch von großen Glaubensabfällen, und im schlimmsten Fall ist Darbys Entrückungslehre guter Dünger dazu. Deswegen wird meine Skepsis nicht kleiner.
Die Frage bleibt, was Paulus denn wohl in 1Thess 4:17 meint. Nun, auch hier dürfen wir uns überraschen lassen, doch die meiner Meinung nach beste Erklärung gibt N.T. Wright in seinem Buch Surprised by Hope. Demnach ist die Wiederkunft Jesu mit der Rückkehr eines guten und geachteten Königs in seine Heimatstadt zu vergleichen. Die Menschen hören die ankündigenden Posaunen und wissen nun, dass er zurückkommt und schon bald da ist. Voller Freude lassen sie alles stehen und liegen, laufen ihm aus der Stadt entgegen, um ihn schon auf den Feldern vor den Stadtmauern jubelnd empfangen zu können, um dann gemeinsam mit ihm jubelnd zurück in die Heimatstadt einzuziehen.
Mit diesem Bild kann ich gut leben.