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Nachtrag vom 31.10.2023

Herzlichen Dank für Eure Rückmeldungen und Euer offensichtlich großes Interesse an diesem Video. Hier kommen noch ein paar persönliche Ergänzungen, die ich im Video nicht anspreche.

Das erste Gebetsanliegen erklärt sich wahrscheinlich von selbst und bedarf wohl keiner weiteren Erklärungen.

Zum zweiten Gebetsanliegen: Tro & Tvivel ist keine klassische Gemeindegründung, sondern ein missionales Projekt, wird aber von der Equmeniakyrka (die übrigens auch offizieller internationaler Partner des Bundes FeG ist) offiziell wie eine klassische Gemeindegründung behandelt. Das heißt, von Gemeindegründungen wird erwartet, dass sie nach fünf Jahren finanziell selbstständig sind. Die Denomination schrumpft, hat aber zum Ziel, zu wachsen und plant deshalb Tausende jährlicher Neubekehrungen ein, doch gerade diese sind heute kostbare Mangelware. Die Schere zwischen Wunsch und Wirklichkeit geht jährlich weiter auseinander; Equmenias Erwartungen im Kontrast zur harten Realität hatte ich schon 2019 im Artikel “Die große Enttäuschung” bearbeitet. Bekehrungen erfordern heute sehr viel glaubwürdige Vorarbeit, oft über viele Jahre. Genau dort setzt Tro & Tvivel (vormals H2O) an. Ist das Interesse erst einmal geweckt, wählen viele vormals säkulare Menschen interessanterweise, sich lieber klassischen Kirchen oder Gemeinden zuzuwenden – eine Kuriosität, über die ich erst kürzlich im Artikel “Ein unerwartetes Phänomen” geschrieben hatte. Das bedeutet, dass Mission eine fortlaufende Kostenstelle bleibt, die, wenn man in Europa ist, eben nicht so schnell auf finanziell eigenen Füßen steht. Dass wir umdenken müssen, steht außer Frage, bislang ist nur unklar, wie wir umdenken werden – besonders jene, die finanzielle Mittel verteilen. Als Tro&Tvivel versuchen wir ständig, Unterstützung zu suchen, Partner zu finden, Gelder zu beantragen. Doch wenn wir überhaupt etwas bekommen, so wird es höchstens für ein Teilzeitgehalt für unsere Teamleiterin Mia reichen.

Was mich zu meiner persönlichen Situation bringt, die ich etwas erläutern muss, weil deutsches Denken und schwedische Wirklichkeit nicht immer ganz zusammenpassen. Das Allerwichtigste zuerst: Ich bin nicht in Unruhe oder ängstlich, weil ich in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten Gottes Fürsorge als so wohltuend und überraschend erlebt habe, dass ich mir buchstäblich keine finanziellen Sorgen ums Morgen mache. Dafür bin ich sehr dankbar und es macht mich glücklich. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Probleme gäbe. Wir haben als Familie z.B. die meiste Zeit an der offiziellen Armutsgrenze gelebt. Dass das kaum jemand gemerkt hat, liegt an den oben fett gedruckten Sätzen und den darin versteckten kreativen Lösungen. So ermöglichte Gott uns auf sehr wundersame Weise, schon 2007 ein Heim zu kaufen, was uns seither von Mieterhöhungen verschont hat. Außerdem brauchten wir nach schwedischem Recht nicht zu tilgen, nur Zinszahlungen reichten aus. Das sind nur zwei Sparbeispiele einer ziemlich langen Liste. Wir haben bis heute ein nicht funktionsfähiges Bad und auch sonst waren sämtliche Reparaturen einfach unerschwinglich. Unsere Möbel, Fußböden, Kücheneinrichtungen waren nach über 10 Jahren regelmäßiger Gemeindetreffen in unserem Heim verschlissen und verbraucht. Im feuchten Keller wütete der Schimmel. Mit dem Auszug der Kinder und Karens neuem Job änderte sich das. Nun sind wir gezwungen, monatliche Tilgungsraten zu zahlen. Eine neue Drainage konnte gelegt, Wände gestrichen, Fußböden erneuert, Türen ersetzt werden. Nein, wir brauchen nicht weniger Geld, jetzt, wo die Kinder weg sind. Mit den allgemein steigenden Lebenskosten liegt mein Einkommen schon längst unter der Armutsgrenze. Weiter runter kann und will ich nicht gehen. Sobald dieses nicht mehr gesichert werden kann (was gerade der Fall ist), muss ich zumindest mittelfristig einen anderen, besser bezahlten Job suchen. Was natürlich auch auf Kosten von Tro&Tvivel ginge und eine Entscheidung im oben erwähnten Umdenken bedeutet.

Zum dritten Gebetsanliegen: Gemeindegründungen starten in der Regel mit viel Enthusiasmus. Alle sind begeistert, haben hohe Ziele und große Visionen. Mittlerweile bin ich seit fast zwei Jahrzehnten im Geschäft, habe insbesondere als Europadirektor sehr, sehr viele neue Gemeindegründer und Missionare kommen sehen – und fast ebensoviele wieder gehen. Der emotionale Preis war zu hoch, die Kosten zu groß, die Realität zu hart. Man trifft auf knallharten Widerstand, der Glaube wird hinterfragt, Gebete scheinbar nicht erhört. Der bereits oben erwähnte Artikel von der großen Enttäuschung handelt übrigens auch vom Glaubensabfall, und zwar gerade unter Missionaren und Gemeindegründern! Solche Erfahrungen haben mich immer darin bestärkt, auszuloten, was Glaube und Zeugnis in unserer Welt bedeutet. Oft gehen wir mit klassischen Erwartungen und einer Theologie an Dinge heran, die nicht falsch, aber auch nicht immer angemessen sind für die jeweilige Situation, weil wir uns der Vorurteile der anderen – der “Ungläubigen” – nicht immer bewusst sind und sie dadurch manchmal unbewusst und ungeschickt bestätigen (was ich in einem Artikel über unsere Podcasts zu beschreiben versuchte: “Was ist Wahrheit?“). Dieser ganze Blog handelt von meiner eigenen Erfahrungskurve, wie man heute auf alternative Weise Zeugnis sein kann – anders zwar, aber deswegen nicht weniger biblisch. Die Zeiten der großen Erweckungen sind wahrscheinlich trotzdem vorbei, Kirchen und Gemeinden werden in den kommenden Jahrzehnten weiter schrumpfen. Doch das entledigt uns nicht unserer Berufung, Salz und Licht zu sein. Im Gegenteil, es fordert uns zum “Jetzt erst recht!” heraus. Was ich also lerne und kommuniziere, ist wie ein kostbarer Perlenschatz für mich, denn es zeigt mir viele Wege zu möglichen Lösungen. Auf der anderen Seite erlebe ich hingegen auch viel Unwillen oder Bequemlichkeit, sich der Veränderung auszusetzen, die die enormen Wandlungen uns heute abverlangen. Mich persönlich fühlt sich das manchmal ähnlich an wie als säße ich auf der Rückbank eines Autos, dass in voller Fahrt auf ein Hindernis zurast, ich versuche zu warnen doch der Fahrer hört mich gar nicht, er ist im Rausch des Fahrvergnügens. Es wird ein Crash in Zeitlupe werden. Mitansehen zu müssen, dass so manche Fahrer jetzt sogar nochmal extra Gas geben, weil’s doch so schön ist und wir so frei, das verdrießt mich. Persönlich und theologisch. Jetzt gerade mehr als sonst. Herr, erbarme dich!

Author

marcusis@icloud.com

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