In der ZDF-Mediathek bekam ich diese Woche mit, dass Thomas Gottschalk kürzlich zum letzten Mal “Wetten, dass…” moderierte. Diese Show war mal das Hochereignis des Samstagabends. Obwohl wir fast anderthalb Jahrzehnte unserer Ehe fernsehlos lebten, haben wir längst nicht alle Wetten-dass-Shows verpasst. Erst in Schweden war dann endgültig Schluss mit deutschem Fernsehen. Doch nun gibt’s ja Mediatheken.
Ehrlich gesagt: Nach Jahrzehnten Wetten-dass-Abstinenz verspüre ich kein bisschen Lust, mir jetzt eine dreistündige Überdosis reinzudrücken, nein, danke. Ich war nur neugierig, wie die letzte Gottschalkfolge wohl anfängt, und (vor allem!) wie sie aufhört. Vielleicht noch ein bisschen vom dem, was so zwischendrin gelabert wird. Dank Mediathek wurde es ein 30-Minuten-Scan. Das war mehr als ausreichend. Also:
Wie es anfängt: Mir fiel auf, wie sehr und vor allem wie lange sich Gottschalk nach seiner Erscheinung auf der Bühne mit stehenden Ovationen feiern ließ. Vielleicht verständlich, vielleicht auch nicht, aber das hier nahm ja überhaupt kein Ende. Und so stand er da und stand und stand. Als viel zu breitbeiniger Macho, wie der Koloss von Rhodos. Das ließ meine erste Augenbraue nach oben wandern. Die zweite folgte, als er so wenig demütig dastehend auch noch Andeutungen auf das Kirchenjahr machte und seine eigene Show ernsthaft mit “Andacht” und Totensonntag in Verbindung zu bringen suchte. Da war meine Stirn komplett in Falten gelegt. Vermutlich sieht Gottschalk sich gerne als heiligen Kardinal des Fernsehens. Was ich aber da stehen sah, war eher ein weinroter Sack im Ichrausch.
Wie es weiterging: So scannte ich weiter, wunderte mich über viele erotisch zuckende Damenoberschenkel in Fernsehstrapse beim sexy Damenballett zum Auftritt einer gewissen und ebenfalls rot bestrapsten Frau Fischer mit ihrer schönheitsoperierten Jüngerin, über teigige Take-That-Boomers, über eine Oma namens Cher, die gemessen an ihrer angeblichen Göttlichkeit, mit der sie angekündigt wurde, erstaunlich verloren und überfordert wirkte, und über ein angeblich total “spontanes Handyvideo” mit halbtoten Rolling Stones Zombies, die ernsthaft versuchten, jugendlich lustig zu wirken. Nun ja. Immerhin: All das sollte sehr, sehr gut zu Gottschalks finaler Verabschiedung aus dem Wetten-dass-Business passen. Doch das wusste ich da ja noch nicht.
Wie es aufhört: Er hat es sicher gut gemeint und wollte auch bestimmt, dass es reif und weise klingt. Er bemühte sich sehr bei der Erklärung seiner zwei Gründe, warum er nun aufhört. Was ich gehört habe, klang wenig reif, noch weniger weise. Und riechen tat’s nach Leberwurst.
Grund eins, O-Ton Gottschalk:
“Ich habe zwei Gründe, der eine wäre: Es ist problematisch, wenn man mir irgendwann die Gäste erklären muss, die bei mir auf der Bank sitzen. Noch kenn’ ich sie alle, aber es ist doch’n Blödsinn, wenn ich sage, wo bleiben Sophia Loren und Rod Stewart und die sagen, die können beide nicht mehr laufen. Und insofern wäre es sinnlos, wenn man mir Gäste erklären muss, die auf die Bank kommen, aber ich kenn’ sie nicht mehr.”
Was er eigentlich sagt:
Ich, Thomas Gottschalk bin ein alter Sack und will meine Shows gefälligst nur mit anderen alten Säcken, Boomern, Omas und Zombies machen. Doch die Alten werden immer noch älter, bald können sie gar nicht mehr laufen! Die junge Generation, heranwachsende Künstler oder Musiker interessieren mich einen Dreck. Ich kümmere mich einen Kehricht um sie, ich kenne sie nicht und will sie auch nicht kennenlernen, schließlich bin ich Thomas Gottschalk, das soll mir erstmal jemand nachmachen. Wenn jung, dann nur weiblich und mit Strapse, denn mein stierender Alter-Männer-Blick erinnert mich an früher, als ich noch in Kraft und Saft stand und überhaupt auch sonst noch alles besser war.
Grund zwei, O-Ton Gottschalk:
“Und der zweite ist natürlich der, dass ich – und das muss ich wirklich sagen – immer im Fernsehn das gesagt habe, was ich zu Hause auch gesagt habe. Inzwischen rede ich zu Hause anders wie im Fernsehen. Und das ist auch keine dolle Entwicklung. Und bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin und her rennt und sagt: “Du hast wieder einen Shitstorm hergelabert!”, dann sag ich lieber gar nichts mehr.”
Was er eigentlich sagt:
Ich, Thomas Gottschalk, bin der größte Showmaster von allen, von den Massen geliebt und bejubelt, weil die Massen mich so verehren und alles, was ich sage. Denn so bin ich einfach, ich sage immer tolle Sachen, vor der Kamera wie zu Hause. Ich kann lustige Sachen sagen, auch über Randgruppen, zu Hause wie im Fernsehen kann ich das ungefiltert sagen, und alle finden es immer super und lustig. Ich bin nämlich toll. Das habe ich immer so geliebt, dass so viele andere auch eingesehen haben, wie toll ich bin. Doch stellt euch vor, plötzlich bekomme ich Widerspruch! Heutzutage gibt es welche, die tun so, als sei ich auf einmal nicht mehr toll! Das ist keine tolle Entwicklung, ich weiß gar nicht, wie man solche Leute ernst nehmen soll! Doch dann gibt es Kollegen beim Fernsehen, die es ernsthaft wagen, jene aufständischen Ansichten über mich auch noch an mich heranzutragen und eindringlich zu erwarten, ICH müsse vorsichtiger mit meinen Worten sein! Mein Aufnahmeleiter zum Beispiel, der gibt mir plötzlich Widerspruch! ICH, in Frage gestellt? Ja, sagt mal, wo sind wir denn hier?! Wenn ICH, Eure Eminenz Thomas Gottschalk, größter Showmaster des Landes, nicht mehr sagen kann, was Thomas Gottschalk zu sagen hätte, dann sagt Er lieber gar nichts mehr. Jetzt gehe ich. Basta. So. Das habt ihr jetzt davon.
Gut, Thommy! Im Namen Jesu: Amen zu deinem selbstauferlegten Schweigegelübde! Als Heiliger muss man sich halt immer wieder dem Opfer und dem Fasten aussetzen. Möge es deiner Andacht guttun. Jetzt, wo deine Klappe also ausgeklappert hat, möge sie in der Öffentlichkeit stillstehen bis zum Jüngsten Tage, denn die Welt von morgen braucht dein Gerede nicht mehr, es ist wirklich von gestern. Dann aber darfst du gerne versuchen, sie wieder aufzureißen. Doch ich befürchte – Achtung, spoiler alert (ein junges Wort, dass du sicher nimmer lernen wirst) – es wird dir dann sehr schwerfallen.
Ab jetzt sagt Thommy also gar nichts mehr.