Wir wollen nicht an den Gräbern der Lebenswerke unserer Freunde stehen.
(Graphik von Athene)
Corona geht uns allen auf die Nerven. Jedem auf seine Weise. In Deutschland scheint derzeit das Beherbergungsverbot großes Thema zu sein, weil es unsere (Reise-)Freiheit einschränkt. Wir hingegen kämpfen mit unserem schwedischen Projekt “tro & tvivel” (Glaube und Zweifel) an einer ganz anderen Front: Dem Überleben der kulturellen Kunst.
Klar, “Kunst” ist Geschmacksache und deshalb äußert man sich gerne schon mal abschätzig darüber (“Ist das Kunst oder kann das weg?”). Selten ist uns jedoch bewusst, wie allgegenwärtig wir von Kunst, Musik, Design und Kreativität umgeben sind. Fiele das alles weg, gliche unser sonst so buntes und vielfältiges Leben einem farblosen, ungewürzten Brei.
Während Großunternehmen wie SAS, Lufthansa & Co Milliarden in den Allerwertesten gepustet bekommen gehen die meisten Künstler und Kulturarbeiter völlig leer aus. Und das, obwohl der Kunst- und Kultursektor allein in Deutschland 2018 über 100 Milliarden Euro zur Volkswirtschaft beigetragen hat, das ist mehr als so mancher große Industriezweig. Die schwedische Kulturministerin steht in großer Kritik, während der anhaltenden Coronakrise überhaupt gar nichts für den Kultursektor zu tun. Eine Stockholmer Sängerin sagte mir neulich, die Branche des Landes fühle sich derzeit wie die niedrigste Kaste Indiens: “Wir haben Berufsverbot, weil wir nicht auftreten dürfen, bekommen aber weder Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- noch Sozialgeld. Gleichzeitig hört jeder Politiker gerne unsere Arbeit. Kostenlos. Wir fühlen uns benutzt.” Dieser Vergleich mag in nichtmusikalischen Ohren übertrieben klingen, drückt aber trotzdem die tiefe Verzweiflung aus, in der die Branche sich befindet. Ein Verzweiflung, die wir alle zu spüren bekommen werden, denn sie ist ein Galgen für die Kreativität. Sobald sie erstickt oder ihr Genick gebrochen ist, wird unser aller Leben fader werden.
Als Tro & Tvivel-Team überlegten wir, was es zu tun gäbe. Einerseits sind Künstler und Musiker allesamt sehr spirituelle Menschen, daraus wächst ihre Kreativität. Mit Gelegenheiten zum Gespräch und zur Aufmunterung, vielleicht sogar Seelsorge könnten wir einen positiven Beitrag leisten. Doch gemäß “Suppe und Seife”, dem alten Motto der Heilsarmee, muss der Ansatz bei sehr viel praktischeren Dingen liegen: Wie können wir helfen, dass arbeitslose Künstler ihre Familien ernähren und Rechnungen bezahlen können? Und so wurde schnell klar, dass wir vor allem ein gesellschaftliches Problem zur Sprache bringen müssen: Im Gegensatz zu Fluggesellschaften und Großkonzernen wird Kunst als nutzlos, überflüssig und – buchstäblich – wertlos angesehen. Deshalb wird sie in der Krise auch nicht finanziell wertgeschätzt.
Wir müssten also ein lautes Sprachrohr bauen, eines, das gehört werden wird. Vielleicht eine Art Lobby, andere Branchen nutzen das schon seit Ewigkeiten schamlos aus, Künstler haben noch nicht mal eine. Wir nennen es KulturAid. Durch das gemeinsame Arbeiten werden sich sehr viele Gelegenheiten ergeben, neue und mehr Künstler kennenzulernen und ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Nach ein paar Wochen Vorbereitung beginnen wir diese Woche mit der öffentlichen Arbeit und sind gespannt, wohin es uns führen wird.