Die Täuferbewegung wuchs rasend, und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern auch anderswo, vor allem in Deutschland. Die Täufer waren wenig organisiert, es war mehr wie ein Feuer, das unverhofft an mehreren Stellen gleichzeitig ausbrach. “Wer Jesus nachfolgen will, muss es von ganzem Herzen tun” – so ungefähr kann die Grundhaltung der Täufer ausgedrückt werden. Dazu gehörten einige Haltungen und Überzeugungen, die sich massiv von üblicher Kirchenansicht – auch reformatorischer – unterschieden, allen voran die bereits erwähnte Tauffrage.
Für die Kirche war das eine höchst bedrohliche Situation. Die Kindertaufe in Frage zu stellen, hieß am Thron der Macht der sägen. Die Kirche war schließlich eine territorial eingeteilte Institution im Auftrag des Staates, und wer die Staatsbürgerschaft=Religionszugehörigkeit von Geburt an in Frage zu stellen wagte, war eine ernste Bedrohung. Die gesellschaftliche Stabilität hing nach Ansicht damaliger Herrscher von der Kindertaufe ab; wer sie abschaffte, schuf Zersplitterung.
Die Kirche reagierte darauf, wie sie es in 1200 Jahren seit Konstantin fleißig eingeübt hatte: Mit Gewalt. Tausende von Täufern wurden verfolgt und umgebracht. Pastoren, Kaufleute, Hausfrauen verschwanden einfach von der Bildfläche. Die katholische Kirche hatte ja schon viel Erfahrung mit Scheiterhaufen und schürte das Feuer wieder an. Doch wer glaubt, die evangelischen Kirchen seien besser gewesen, täuscht sich leider. Die Protestanten ließen Köpfe rollen. Und nicht selten führten die “Reformierten” aller Öffentlichkeit in makabrer Ironie vor, was sie von den Täufern hielten: Sie ließen sie ersäufen.
Die “radikale Reformation“, wie sie auch genannt wird, kann uns heute wichtige Anhaltspunkte geben, kann uns inspirieren und warnen. Denn es gibt erstaunliche Parallelen zwischen der Situation der damaligen Täufer und Jesusnachfolger in der heutigen Postmoderne. Sie kann Ideen, Grundlagen und Vorlagen für eine neue Reformation geben, eine neue Reformation, die wir heute so dringend brauchen.