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Nein, ich hatte “Chips” gemeint, nicht “Fritten“. Was soll ich aber erwarten, wenn die Bedienung im Hotel nur ihre Muttersprache beherrscht. Da ich Hunger habe und hundemüde, nein, ausgelaugt bin, mache ich halt keinen Auftsand und mampfe meine mayolosen Fritten mit den Fingern, denn eine Gabel gehört ebensowenig zum Lieferumfang wie Ketchup. Das hat man halt davon, wenn man aus Budgetgründen keine Fünf-Sterne-Hotels bucht, andererseits aber einen Rückzugsort braucht, an dem Herz und Hirn Erholung finden. Nach all den endlosen, anstrengenden Gesprächen und Verhandlungen. So ist das eben bei Introvertierten. Meine Arbeit, die manchmal extrem extrovertiert ist, hat mich, glaub ich, in den letzten Jahren noch viel introvertierter gemacht. In vielen Lebenslagen kommen Introvertierte billiger weg als Extrovertierte. Erholung zum Beispiel. Eine kleine, menschenleere und stromlose Insel reicht uns völlig aus. Teurer sind hingegen Tage mit Friedensverhandlungen. Da kann ich mich nicht anschließend bei Freunden einquartieren, so tun, als wäre es der reinste Ferientag gewesen, eine Flasche Wein aufmachen und weiter smalltalken. Am Ende solcher Tage will noch nicht mal weiter mit der Barkeeperin verhandeln.

Denn als Repräsentant der Organisation musste ich viel zuhören heute. Musste mir auch viel anhören. Von allen Seiten, allen Beteiligten. Da muss man klug reagieren, diplomatisch sein, Menschen verstehen, aufmuntern, aber auch ermahnen und herausfordern. Gleichzeitig laufen in meiner grauen Masse pausenlos alle möglichen Hintergrundprozesse ab, wie das Verknüpfen des Gehörten mit Infos aus anderen Geprächen mit einer anderen Perspektive. Oder der Kulturscanner, wie ich es nenne, der ständig versucht, zu verstehen, aus welchem Heimatland mein Gegenüber kommt, wie man dort kommuniziert oder Konflikte löst, was mein Gesprächspartner mir zwischen den Zeilen eigentlich zu sagen versucht.

Als Repräsentant muss ich mich außerdem für Dinge entschuldigen, an denen ich persönlich nicht im Geringsten beteiligt war, muss die Schläge der Frustrierten einstecken, obwohl ich nur gekommen bin, um zu helfen. Das zweitwichtigste dabei ist, dass man nichts davon persönlich nehmen darf. Sonst macht man diesen Job nicht lange und die Seele geht vor die Hunde. Vor allem aber, und das ist vielleicht das wichtigste, muss man als Friedensstifter immer und ausnahmslos den irdischen Jesus widerspiegeln, nie und nimmer und auf gar keinen Fall den himmlischen Richter. Diese Rolle steht uns nicht zu. Niemals. Ausnahmslos. Suppenhaare nicht selbst herauszuziehen, sondern andere zu loben, wenn sie mit Vorschlägen, Einsichten und Verbesserungen kommen, ist für einen Deutschen wohl ein lebenslanger Lernprozess.

Und all das geht natürlich auf Fremdsprachen, was in der Regel recht gut gelingt, meinem Körper aber dennoch je nach Klima und Konzentrationsgrad einen 10-20%igen Fremdsprachenzuschlag entzieht. Da ist es am Ende eines nahezu pausenlosen 14-Stunden-Tag einfach zu viel, sich über Fritten statt Chips zu beschweren. Ich freue mich stattdessen, überhaupt etwas mümmeln zu können. Und dass oben ein sauberes Zimmer ganz für mich allein auf mich wartet, das seine Glanztage zwar schon vor vielen Jahrzehnten erlebt hat, in dem ich mich aber dennoch ganz introvertiert erholen darf.

Gott ist gut und Gott ist gnädig, und es ist eine Freude, diesen Gott vor den Kulturen der Welt widerspiegeln zu dürfen.

Author

marcusis@icloud.com

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