Ok. Hier sind also ein paar der wichtigsten Puzzlesteine, ohne Puzzlevorlage:
- Biblisch gesehen ist eine formelle Mitgliedschaft ein nichtexistentes Thema. Kein Jünger erhielt einen Mitgliedsausweis.
- Kulturell und traditionell gesehen ist eine formelle Gemeindemitgliedschaft bei uns eine als gegeben vorausgesetzte Selbstverständlichkeit.
- Keiner der mir bekannten Gemeindebünde oder Denominationen kann mit einer nicht eindeutig zählbaren Mitgliedschaft leben. Die ganze Organisation von der Basis bis zur Spitze erfordert dies.
- Mitgliedschaft als solche ist etwas statisches. Man wird Mitglied und bleibt es, bis man stirbt oder austritt. Oder rausgeschmissen wird. Karteikarten sind geduldig.
- Nachfolge ist etwas dynamisches. Man entscheidet praktisch jede Minute neu, ob und wie weit man Jesus nachfolgen möchte.
- Das statische Wesen der Mitgliedschaft führt zu Karteileichen (besonders deutlich in den großen Kirchen). In Schweden verfügt auch jede Freikirche über ein mehr oder weniger beeindruckendes Kontingent an Karteileichen.
- Sowohl die Vermeidung als auch die Verwaltung von Karteileichen macht Extraarbeit.
- Sämtliche Organisationen und Vereine, nicht nur Kirchen und Gemeinden verzeichnen derzeit Mitgliederrückgang. Niemand möchte sich auf etwas festlegen müssen – erst recht nicht, wenn kein klarer eigener Vorteil dabei herausspringt.
- Mitglied in einer Gemeinde zu werden, ist für postchristliche Menschen eine echte, gefühlte Hürde – selbst, wenn man angefangen hat zu glauben: Man hat Angst, doch noch irgendwie vereinnahmt zu werden (“ich will hier nicht gelebt werden”).
- Nicht selten sind Nichtmitglieder oder “Freunde” der Gemeinde die zuverlässigeren Mitarbeiter als die offiziellen Mitglieder – wie ein Leser in seinem Kommentar zum vergangenen Post ganz richtig notierte.
- Die Teilnahme an der Gemeinschaft und die erlebten Beziehungen werden als ausreichend erlebt. Die Frage nach “Mitgliedschaft” befremdet: “Ich dachte, ich wäre schon euer Freund – bin ich es etwa doch nicht? Bin ich erst als Mitglied vollwertig…?!”
- In unserer Gesellschaft ist der Aufbau einer offiziellen Organisation ohne nachvollziehbare Zugehörigkeitsverhältnisse nahezu unmöglich. Das ganze Vereinswesen baut auf Mitgliedern – erst die Mitglieder machen die Organisation zu einer juristischen Person. Gibt es Alternativen? Bitte mitteilen!!!
- Wir leben in multikulturellen Zeiten und Ausländer erleben es ganz anders als der selbstbestimmende Mensch des Westens: Mitglied von etwas zu werden ist für sie etwas Positives und erhöht das psychologische Zugehörigkeitsgefühl. Man wünscht sich Mitgliedschaft, Zugehörigkeit und Identität.
- Die Kinder von Ausländern sehen das dann aber schon wieder viel westlicher als ihre Eltern. Blühende Ausländergemeinden blühen oft nur unter der ersten Generation.
- Zugehörigkeit sollte durch Teilnahme, nicht eine Kartei definiert werden: Wer nicht (mehr) teilnimmt, ist (automatisch) kein “Mitglied” (mehr). Kann Mitgliedschaft offiziell an Teilnahme gekoppelt werden? Im Moment tendiere ich zu einer solchen Lösung – gepaart mit ein oder zwei weiteren Optionen zu freiwilligen Selbstverpflichtungen oder Engagementserklärungen.
- Wie kann das gleiche Zugehörigkeitsgefühl für unterschiedlich kulturelle Empfindungen entwickelt werden? Wie kann die gleiche Zugehörigkeit auf unterschiedliche Weise ausgedrückt werden?
- Ist eine zeitlich begrenzte Mitgliedschaft/Verpflichtung/Commitment sinnvoll, die nach X Monaten automatisch ausläuft und auf freiwilliger Basis erneuert werden muss?
- Können wir langsam mal wieder über was anderes reden?!
2 comments
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Hallo Marcus!
Selbstverpflichtung hört sich gut an (Commitment). Die "Überwachung" dieser Sache ist allerdings viel aufwändiger als eine Mitgliedschaft. Das erforderte die intensive regelmäßige persönliche beschäftigung einer Leitung mit den sich verpflichtenden. Eine große Chance aber auch sehr zeitintensiv. Und obwohl nicht nur du von dem thema genervt bist, ist es eben doch sehr zentral. Aber solch ein gespräch über das Commitment würde immer wieder auch Hilfe sein die eigen und die Entwicklung von "Anvertrauten" auf dem Weg hin zu Eph 4.12-14 (volle mannesreife) kritisch zu hinterfragen. Eine fast zwingende Konsequenz dessen wären meiner Meinung nach auch sehr viel kleinere und langsam wachsendere bzw. entstehende Gruppen, als wir das traditionell kennen bzw. propagieren.
Liebe grüße Peter
Klasse! Danke, Peter. Stimmt, ist aufwändig, aber vielleicht besser investierter Zeitaufwand als reine Mitgliederverwaltung. Und gemäß dem, was Du am Ende schreibst, scheint H2O ja voll im Trend zu liegen… 🙂
Liebe Grüße zurück!